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Konsum-TheorieWas ist Shopping?

Sind wir die Summe unserer "Identity Goods"? Was die Waren mit uns anstellen - und wir mit ihnen. Ein Versuch, die "konsumistische Mentalität" zu erklären.

Wird es mal wieder Zeit, die Identität konsumistisch umzustrukturieren? Bild: dpa

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6 Kommentare

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  • F
    frisbee

    zum glück gibt es immer noch menschen, die die andere seite der medallie vertreten und selbst erschaffen anstatt zu konsumieren. kreatives handeln ist auch viel identitätsstiftender als konsum allein schon wegen der einzigartigkeit des zu erschaffenden.

  • GL
    Götz Lange

    Nach all den im Artikel erwähnten Theoretikern noch ein Gedanke von Bourdieu:

    Das unser Verhalten (vereinfacht gesagt) eine Kollage sozialer Schemata darstellt, ist nicht neu, und schon garnicht erst mit der Erfindung des Ausdrucks "Identity Good" eingetreten. Es handelt sich dabei um eine menschliche Grundkonstante, die menschliches Leben seit jeher bestimmt und genau betrachtet Sozialität überhaupt erst ermöglicht. Ob jemand so lächelt, wie die Großmutter, oder wie die Schauspielerin XY; ob er eine Trachtenhose trägt, oder das neuste Modeutensil - der Unterschied ist lediglich ein gradueller. Was heutzutage anders ist, ist nur die Vielfältigkeit und die Geschwindigkeit der Veränderung - so treffen eher unpassende Dispositionen aufeinander, und wir sagen dann "oh, das ist aber künstlich". Sicher wächst so die Sensibilität für die Genese solcher Schemata, und es wird schwieriger, sie als "selbstverständliche" Ausdrucksmittel zu erleben und zu benutzen - im Grundsatz ändert sich jedoch nichts.

  • AZ
    A. Z.

    Schon erstaunlich: so umfassend dieser Artikel gedacht ist, so spürbar das Bemühen wird, dem Konsumenten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; es fehlt ihm eine wesentliche Dimension. Die Passivität nämlich bleibt unerwähnt.

     

    Konsum ist, allen anders lautenden Beteuerungen des Handels zum Trotz, kein rein aktiver Vorgang. Er ist ein Vorgang, der aufmerksam beobachtet wird und der in der Regel Folgen hat. Und wie bei jedem kommunikativen Prozess kommt es auch dabei hin und wieder zu bedauerlichen, ärgerlichen, unerkannten und sonstigen Missverständnissen.

     

    Es gibt keine Identität abseits sozialer Netze. Voraussetzung dafür, dass es Menschen gelingt, sich eine Identität zusammenzukaufen, ist, dass ihre jeweilige Kaufentscheidung auf erkennbare Zustimmung bzw. Ablehnung der soziale Umgebung trifft. Eine Entscheidung, die nicht wahrgenommen wird, ist mit Blick auf die eigene Identität eine vergleichsweise sinnlose Entscheidung. Eine wahrgenommene Entscheidung hingegen ist eine auch von Beobachterseite mitunter geradezu mit Sinn überfrachtete Entscheidung. Selbst dann noch, wenn sie eigentlich gar keine war, sondern ?bloß? einer dem (konsumistisch geschulten) Beobachter nicht sichtbaren Kausalität geschuldet ist. Will sagen: Ob das Nichtkonsumieren eine Person zu einem ?besonders exaltierten? Mitglied einer ?Stilgemeinschaft? von ?Konsumkritikern? oder schlicht zur unscheinbar-grauen Maus ohne Geschmack und Talent macht, hängt von vielen Faktoren ab. Zuletzt wohl von den tatsächlichen Gründen, die diese Person fürs Nichtkonsumieren hatte.

     

    Wenn der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth behauptet, es sei ?heute kaum mehr vorstellbar, dass Individuen zu einer sozialen Identität gelangen, ohne diese in einem Ensemble persönlich konsumierter Güter auszudrücken", dann muss man diese Behauptung um ihr Gegenteil ergänzen. Kaum vorstellbar ist es nämlich im Zeitalter des Brandings, des Product-Placement und der Image-Kampagnen auch, dass ein Individuum Güter materieller oder ideeller Art konsumiert (oder auch genau das nicht tut), ohne dass ihm daraufhin eine soziale Identität angedichtet wird. Das Ins-Verhältnis-Setzen ist schließlich nie eine nur einseitige Angelegenheit gewesen. Wer wüsste das besser, als unsere Marktforscher?

     

    Der Mensch ist noch immer nicht in der Lage, sich aus dem Nichts heraus selbst zu erschaffen. Was "ich" ist in uns, bestimmen wir nicht allein. Das mag aus emotionaler Wartet bedauerlich sein, hat jedoch handfeste ökonomische Folgen. Am Markt gehandelte Allmacht, denke ich, würde ihren Erfinder nicht nur steinreich machen, sondern auch unglaublich beliebt. Die Erbauer innerstädtischer oder außerörtlicher Mega-Shopping-Malls können das nicht in jedem Fall von sich behaupten. Hoffe ich zumindest.

  • J
    Joerg

    Der Rucksack und das Kanu sind doch auch irgendwo gekauft worden?

  • C
    Caspa7

    "Die Jagd nach dem Neuen ist dem Konsumbürger zur zweiten Natur geworden."

     

    Das ist falsch, denn die Jagd nach "dem Neuen", jedenfalls auf dieser allgemeinen Ebene, ist ein fundamentaler Bestandteil der meschlichen Verhaltenskaskade. Vielmehr kanalisiert Konsum bzw. Shopping dieses Bedürfnis in eine für die materialistisch zivilisierten (konditionierten?) Welt akzeptierte Form. Die spirituelle Aufgeladenheit des Konsums ist dabei nicht ausdruck des Kapitalismus sondern einfach nur ein Nebeneffekt der modernen Massenkommunikation, wobei das Internet auch dies wieder in Frage stellen kann - neusten Umfragen zufolge nimmt das Markenvertrauen seit einige Jahren stetig ab.

  • J
    Janfelix

    Beim Lesen des Artikels ist mir etwas über mich selbst klarer geworden: Wenn ich mit dem Rucksack, oder mit dem Kanu in der Natur unterwegs bin, fernab jeglicher Zivilisation, nur zusammen mit Menschen, die mir viel bedeuten, empfinde ich eine Freiheit und Klarheit, wie ich sie sonst niemals auch nur annähernd empfinde. All die Fassaden aus konsumierten Gütern und Erlebnissen fallen weg, ich habe die Möglichkeit, ganz ich selbst zu sein. Dieses Gefühl bedeutet für mich die absolute Freiheit.