UN-Gipfel: Durchhalteparolen fürs Klima
Mehr als 80 Staatschefs sprachen in New York über den Treibhauseffekt. Einer fehlte freilich: US-Präsident Bush. Seine Außenministerin lehnte eine CO2-Reduktion ab.
NEW YORK dpa/ap/taz Bilder können bekanntlich oft weit mehr sagen als Worte. Zu Beginn der Klimaschutzkonferenz in New York zeigte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Vertretern von etwa 150 Staaten - darunter mehr als 80 Staats- und Regierungschefs - einen Kurzfilm. Zur Einstimmung auf zehnstündige Beratungen führte er den Delegierten in knapp acht Minuten noch einmal vor Augen, worum es eigentlich geht: Wüstenbildung, Wirbelstürme, Überschwemmungen, schmelzende Gletscher.
Einer hat ihn freilich nicht gesehen: US-Präsident George Bush weilte zwar in New York, ließ sich aber auf dem Klimagipfel nicht blicken. Er hatte seine Außenministerin Condoleezza Rice geschickt. Erst zum Abendessen stieß er zu den Teilnehmern und setzte sich neben Angela Merkel. Die bemühte sich denn auch, den Gipfel als Erfolg darzustellen.
Nur veranstaltet George Bush in der zweiten Wochenhälfte eine weitere Klimakonferenz in Washington. Dazu sind Vertreter der 16 Staaten mit dem höchsten CO2-Ausstoß und die EU eingeladen. Kritiker sehen in dieser Initiative den Versuch, der UN bei ihren Bemühungen Konkurrenz zu machen.
Merkel deutet die Initiative anders als die Umweltschützer: "Ich halte davon sehr viel, weil damit ganz klar wird: Die Amerikaner sind zurück im Klimaprozess", sagte sie am Montag. Gleichzeitig verwies die Kanzlerin darauf, dass sich US-Außenministerin Condoleezza Rice in New York damit einverstanden erklärt habe, dass das geplante internationale Klimaabkommen unter dem Dach der Vereinten Nationen abgeschlossen werde. "Gemessen an dem, wo wir vor einiger Zeit standen, ist das ein Riesenfortschritt."
Bei dem Abendessen soll Bush klargestellt haben, dass er nicht quertreiben will. UN-Generalsekretär Ban sagte zu den Ausführungen des US-Präsidenten: "Er hat deutlich gemacht, das er die Anstrengungen der Vereinten Nationen unterstützen wird." Man kann es aber auch als eine weitere Folge des alten Spiels der USA im Klimaprozess seit Kioto werten: Überall mitreden, aber sich nirgendwo festlegen.
Dass das Treffen in der UN-Zentrale am East River keine konkreten Ergebnisse bringen würde, war schon vorher klar. Das wichtigste Resultat war, dass die Konferenz überhaupt stattfand - an diesem Ort und in diesem Format. Noch nie zuvor hatten sich so viele Staats- und Regierungschefs getroffen, um über den Klimawandel zu beraten.
Alleine das veranlasste Gastgeber Ban dazu, auf der Abschluss-Pressekonferenz von einem "bahnbrechenden, historischen Ereignis" zu sprechen. Was soll er auch sonst sagen.
Zuvor auf der eigentlichen Tagung hatten die Staats- und Regierungschefs sich zum Kampf gegen den Klimawandel bekannt. Bundeskanzlerin Merkel hatte ihren Vorschlag erneuert, in Zukunft jedem Menschen auf der Welt nur noch die gleiche Menge an Kohlendioxidausstoß zuzugestehen. Im Gegensatz zur momentanen Haltung der USA sprach sie sich auch für verbindliche Reduktionsziele und für einen weltweiten Emissionshandel aus. "Deutschland ist bereit, zum Klimaschutz seinen Beitrag zu leisten", so ihr Fazit.
Die Kanzlerin zeigte sich überzeugt, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum durchaus vereinbar sind. "Wenn wir weltweit auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad setzen, verzichten wir nicht auf Wohlstand. Wir erzeugen ihn auf eine andere Weise", sagte sie.
US-Außenministerin Condoleezza Rice bekannte sich zu Klimaschutz unter dem Dach der Vereinten Nationen, machte aber deutlich, dass die USA vom Abbau von Treibhausgasen nichts hält: "Unsere Bemühungen sind auf die technologische Entwicklung ausgerichtet."
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy forderte mit Blick auf die Bali-Konferenz klare Ziele für den Abbau der Treibhausgase. "Die Vorgabe von minus 50 Prozent bis zum Jahr 2050 muss absolute Priorität haben, um eine Weltkatastrophe zu vermeiden", sagte er. Nicht zu handeln, wäre "kriminell".
Nach Ansicht des früheren US-Vizepräsidenten und Umweltaktivisten Al Gore ist ein "Globaler Marshall-Plan" nötig - entsprechend dem amerikanischen Hilfsplan für Europa nach dem Krieg. Nur so ließen sich Klimawandel und Armut in der Welt bekämpfen. "Wir können nicht so weitermachen wie bisher."
Als erster Redner der Konferenz hob der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen einer "grünen" Politik hervor. In Kalifornien seien allein in diesem Jahr mehr als 800 Millionen Euro in saubere Technologien investiert worden. "Reiche und arme Länder haben unterschiedliche Verpflichtungen." Aber eine hätten alle gemeinsam: "Handeln, Handeln, Handeln." Das freilich, hat den Klimaprozess noch nie ausgezeichnet. URB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
T.C. Boyle zur US-Präsidentschaftswahl
„Halb Amerika schwelgt im Hass“