Gemeinsam Wohnen: "Wohnprojekte brauchen Zeit"
Wohnen in eigener Regie wird immer beliebter, sagt Mathias Heyden, der gerade ein Buch über Wohnprojekte veröffentlicht hat. Mit den Experimentdays 07 soll dazu beigetragen werden, dass das auch für die Verwaltung so gilt.
taz: Herr Heyden, seit wann gibt es selbstbestimmtes Wohnen in Berlin?
MATHIAS HEYDEN, 41, ist Architekt und Mitbegründer des Wohnprojektes "K77" in Berlin-Prenzlauer Berg. Zusammen mit dem Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung hat gerade das Buch "Berlin - Wohnen in eigener Regie" herausgegeben.
Mathias Heyden: Berlin hat da eine lange Tradition, denken Sie nur an die Genossenschaften Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus den 80er- und den 90er-Jahren gibt es zwei Hausbesetzergenerationen. Von denen haben zirka 300 die bauliche Selbsthilfeförderung des Senats in Anspruch genommen und eigene Hausprojekte gestartet. Neu sind die so genannten Baugruppen, die sich Reihenhäuser, "Townhouses", mitten in der Stadt bauen, und Baugemeinschaften. Die bauen quasi gestapelte Eigentumswohnungen. In Berlin ist das recht neu. In Tübingen und Freiburg gibt es das schon länger.
In Berlin sind in den letzten Jahren um die 70 Wohnprojekte entstanden. Warum ist das Bauen und Wohnen in Eigenregie zunehmend beliebt?
Weil die Mieten steigen. Und wer stattdessen auf Eigentum setzt, möchte heute zunehmend mit seinen Freunden oder Bekannten, sprich: mit netten Leuten in einem Haus wohnen. Außerdem kann man bis zu 20 Prozent an Kosten sparen, wenn man sich mit mehreren Mietparteien zusammentut.
Es gibt sogenannte Ökohäuser, alternative Wohnprojekte, Mehrgenerationenhäuser oder Migrantengenossenschaften. Ist da ein Trend auszumachen?
Heute werden die Wohnprojekte nicht mehr als linksalternative Sonderwohnformen gesehen - das gilt für Wissenschaft wie auch für Politik und Verwaltung. Vielmehr sind sie engstens gekoppelt an das Thema generationenübergreifendes Wohnen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung geht es dabei letztendlich auch um zeitgemäße Formen des Sozialen, auch der Nachbarschaftshilfe. Das Bundesfamilienministerium hat eigens dafür Förderprogramme ins Leben gerufen.
Welche Klientel baut in Berlin in Eigenregie?
Außer von der linksalternativ geprägten Szene werden Wohnprojekte zunehmend von der in der "alternativ-bürgerlichen" Mitte angekommenen Mittelschicht realisiert. Diese Leute sind zwischen 30 und 45 Jahre alt, haben oft Kinder und setzen auf eigentumsorientierte Wohnprojekte.
Bei der Vergabe von Grundstücken konkurrieren die Wohnprojekte mit den großen Bauträgern. Unterstützt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Gemeinschaftsmodelle?
In Hamburg werden 15 Prozent aller Grundstücke für ein Jahr für Wohnprojekte reserviert. So weit sind wir in Berlin noch nicht. Wohnprojekte, egal ob miet- oder eigentumsorientiert, brauchen Zeit. Allein die Guppenfindung, die Projektentwicklung, Finanzierungs- und Rechtsfragen benötigen viel mehr Zeit als bei einem gewöhnlichen Investor. Das heißt, die Berliner Wohnprojekte werden benachteiligt, weil vor allem der Liegenschaftsfonds nach Meistgebot veräußert, statt einen Auftrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung zu haben. Da muss was passieren.
Berlin ist immer noch eine Mieterstadt. Was ist mit den Leuten, die sich kein Wohneigentum leisten können?
Sicher ist die Unterstützung von eigentumsorientierten Wohnprojekten zu begrüßen. Aber das löst die wohnungspolitische Frage in Berlin überhaupt nicht. Die Frage ist die, wie wir einen selbstbestimmten und gemeinschaftsorientierten Wohnungsbau für alle gestalten und was Politik und Verwaltung dazu tun können.
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