Kommentar Umsiedlungen in China: Ein bisschen Öko-Diktatur

Weitere Millionen Umsiedlungen wegen des Drei-Schluchten-Staudamms - diesmal um Umweltschäden zu bekämpfen. Ein bisschen Öko-Diktatur ist vielleicht nützlich.

Vier Millionen neue Umsiedler aufgrund des Staudammbaus im Drei-Schluchten-Tal! Sie werden vermutlich nicht besser behandelt werden als jene eineinhalb Millionen Menschen, die schon in den letzten Jahren ihren Wohnsitz am Jangtse verloren haben und dabei oft nicht wie versprochen entschädigt wurden. Aber die neuen Umsiedler verlieren Hof und Feld aus einem anderen Grund: Heute will die Regierung in Peking die ökologischen Folgeschäden des Damms bekämpfen. Zuvor ging es ihr nur um den möglichst schnellen Bau des Unglücksprojekts.

Ist es nun gut oder schlecht für die globale Umwelt, wenn sich Peking geneigt sieht, die ökologischen Folgen seines Wirtschaftswunders mit der gleichen Ruchlosigkeit zu bekämpfen, mit der man das Wunder einst zu Tage beförderte? Die Frage muss also erlaubt sein. Denn in einem Land, das ein Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt von 200 Euro im Jahr aufweist, wird Umweltschutz von den meisten Menschen immer noch als Luxus angesehen. Aber würden die Chinesen mit dem Umweltschutz warten, bis sie das inflationsbereinigte Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt der Deutschen in den 80er-Jahren erwirtschaften, dann würden noch 30 bis 50 Jahre vergehen. Erst dann hätten sie den Wohlstand, den die Deutschen hatten, als sie begannen, dem Umweltschutz Priorität beizumessen. Aber dann wäre es wahrscheinlich schon zu spät für den Klimaschutz auf Erden.

Ein bisschen Umweltdiktatur in Peking ist also vielleicht ganz nützlich. Schon der indische Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen hat gesagt, dass ein bisschen Mao bei der wirtschaftlichen Neuordnung nach der Unabhängigkeit für das demokratische Indien ein Segen gewesen wäre. Aber ob ein bisschen Mao möglich ist? Jeder Diktatur haftet der Drang zur zerstörerischen Übertreibung an. Doch vielleicht überlebt sich im 21. Jahrhundert auch diese Erkenntnis: Wo haben es die Regierenden schon mit dem Umweltschutz übertrieben? Dieses Land ist noch nicht bekannt. Es wird aber bestimmt nicht China sein.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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