Kommentar Wahlen: Polen wählt, Europa betet

Die Amtskollegen des polnischen Premiers Kaczynski wären froh, ihn los zu sein. Herausforderer Tusk will konstruktiver auf der EU-Bühne sein. In Polen entscheidet sich am Sonntag auch die EU-Zukunft.

Nationale Wahlen sind ein wichtiger Faktor europäischer Politik. Fast wäre der aktuelle EU-Gipfel in Lissabon sogar verschoben worden, zumindest hatten dies die portugiesischen Gastgeber erwogen. Zwei Tage vor den polnischen Parlamentswahlen, so die Sorge der Ratspräsidenten, würde sich Jaroslaw Kaczynski noch sturer und kompromissloser zeigen als sonst. Andererseits, so der klassische Seufzer frustrierter EU-Diplomaten: Irgendwo in Europa wird ja immer gewählt.

Am Ende blieben die Portugiesen bei ihrem Zeitplan. So haben sie sich nächtlichen Gipfelstress erspart. Denn Kaczynskis Partei "Recht und Gerechtigkeit" ist in der Wählergunst zurückgefallen. Das Bild vom tumben Provinzler Jaroslaw, der während der Gipfelverhandlungen vergangenen Juni in Brüssel am Telefon hing und seinen Präsidentenbruder Lech um Rat fragte, scheint zu Hause nicht bei allen so gut anzukommen. Deshalb rudert der polnische Premier zurück, signalisiert Kompromissbereitschaft und versichert gar, an ihm werde der Gipfel nicht scheitern.

Seine Amtskollegen wären dennoch froh, den unzugänglichen und launischen Polen bald los zu sein. Europa ist ihm herzlich egal, nur Mittel für seine innenpolitischen Zwecke. Engagierten Europäern wie dem Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker stößt das schon lange bitter auf. Herausforderer Donald Tusk von der liberalen Partei wirbt damit, er werde nach einem möglichen Wahlsieg eine konstruktive Rolle auf der europäischen Bühne spielen. Sollte er am Sonntag den Sieg erringen, dann wäre klar: Euroskepsis ist in Polen nicht länger mehrheitsfähig. Ein proeuropäisches Programm hat mehr Überzeugungskraft.

Für Großbritannien gilt das leider nicht. Premier Gordon Brown wird die für Herbst geplanten Neuwahlen verschieben; zunächst soll Gras über die EU-Vertragsreform gewachsen sein. Doch auch nächstes Jahr passt es schlecht, denn da werden die EU-Finanzen auf den Prüfstand gestellt.

Europäische Politik spielt bei nationalen Wahlen eine größere Rolle als früher, sie wird zwischen Brüssel und Warschau oder London gemacht. In Polen entscheidet sich am Sonntag deshalb auch die Zukunft der EU.

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