Projekte gegen Rechts im Test: "Für Bildungsferne fehlt Geld"

Den Kampf gegen Rechtsextremismus kann man nicht nur an Gymnasien führen, sagt Wolfgang Benz. Sein Zentrum für Antisemitismusforschung hat Berliner Projekte in einer Studie untersucht

taz: Herr Benz, welche Projekte haben Sie untersucht?

Berliner Projekte gegen rechts richten sich an die falsche Zielgruppe und finden oft in den falschen Bezirken statt, kritisiert eine Studie des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU. Integrationsbeauftragter Günter Piening bestreitet, dass die von ihm geförderten Projekte nicht effektiv seien. Anfang 2008 will er eine Gesamtkonzeption gegen Rechtsextremismus vorlegen.

Wolfgang Benz: Grundsätzlich alle, es ging ja um eine Bestandsaufnahme. Wir haben 407 freie und öffentliche Träger angefragt, die zwölf Bezirksämter und rund tausend Schulen. Am Ende konnten wir Fragebögen von 166 Projekten auswerten. Das ist ein Querschnitt, aber ein repräsentativer. Man erkennt die Schwerpunkte und die Schwachpunkte.

Sie kommen zu dem Schluss, dass sich zu wenig Projekte an potenzielle Täter richten. Wie dramatisch ist diese Schieflage?

Wie dramatisch das ist, sieht man hinterher in der Kriminalstatistik. Wenn man sich auf die Schulen konzentriert und allgemein über Rechtsextremismus aufklärt, ist das zwar gut und auch notwendig. Aber das ist die Grundaufgabe der Schule in der demokratischen Gesellschaft. Dazu braucht man kein Förderprogramm. Das Geld fehlt dann bei den bildungsfernen Gruppen. Die Schieflage entsteht, wenn man Gymnasiasten gegen Rechtsextremismus immunisiert, aber sich kaum Projekte an Auszubildende wenden. Die sind möglicherweise anfälliger für rechtsextreme Verlockungen.

Gehen die Akteure den Weg des geringsten Widerstands?

Das ist sicherlich der Fall, aber kein von oben her gesteuerter Prozess. So etwas ergibt sich automatisch. Der clevere Studienrat liest in der Zeitung, dass da ein Programm aufgelegt ist. Er denkt sich etwas aus und kann beim Senat 900 Euro für seine Arbeitsgruppe gegen Rechtsextremismus abholen. Der Sozialarbeiter, der sich im nördlichen Neukölln herumschlägt, hat vielleicht geringere Möglichkeiten oder auch ein geringeres Zeitdeputat, um etwas abzuschöpfen.

Die Studie kritisiert auch eine Schieflage bei der räumlichen Verteilung der Projekte.

Das ist richtig. Es wird zu wenig bedarfsorientiert im sozialen Raum agiert. Die Leute müssen an den Brennpunkten, in Stadtteilen, wo rechtsextreme Gewalt dominant wird, angesprochen werden. Was wir brauchen, ist ein Gesamtkonzept anstelle einer Förderung mit der Gießkanne. Ein solches Konzept muss festlegen, dass bestimmte Stadträume bevorzugt mit Präventionsprojekten ausgestattet werden müssen. Welche das sind, weiß jeder.

Wie erklären Sie sich, dass die Förderung so lange in die falsche Richtung gegangen ist?

Ich würde nicht in eine grundsätzliche Anklage verfallen. Man muss ja Erfahrungen sammeln. Und wir wissen, wie Politiker funktionieren: Sie werden mit einer erschreckenden Situation konfrontiert und wollen schnell etwas tun. Dann wird auch schnell Geld ausgegeben an alle möglichen Akteure. Gefragt ist aber der lange Atem, keine Krisenintervention nach dem Motto: In Marzahn ist etwas passiert, da schicken wir mal drei Sozialarbeiter hin. Rechtsextremismus und Jugendgewalt werden uns in den nächsten Jahrzehnten begleiten, deshalb ist eine Gesamtkonzeption so wichtig.

Worauf kommt es dabei an?

Einerseits auf die Stärkung der Zivilgesellschaft, dazu gibt es die Einrichtungen der politischen Bildung und die Schulen. Zum anderen muss an Brennpunkten speziell interveniert werden. Und noch etwas ist wichtig: das Training des Personals, das an der Front agiert. Es bringt wenig, wenn wir Sozialarbeiter haben, die starke Abscheu gegenüber dem Neonazitum empfinden, aber nicht darin ausgebildet sind, mit potenziellen Gewalttätern umzugehen.

Glauben Sie, dass sich jetzt die Förderpraxis ändert?

Das müssen wir glauben. Wissenschaft, die sich auf das schwierige Feld der Politikberatung begibt, darf doch nicht von beratungsresistenten Politikern ausgehen. Sonst würden wir ja die Hoffnung auf den Sinn von Aufklärung aufgeben.

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