EU-Flüchtlingshilfe: Auf dem Meer eine Katastrophe

Studie: EU verletzt die Menschenrechte illegaler Einwanderer. Berichte über Übergriffe der griechischen Küstenwache.

Glück gehabt. Sie sind nicht in die "vorgelagerte Migrationskontrolle " geraten Bild: dpa

BERLIN taz Die Zahlen sind dramatisch: Das UN-Flüchtlingskommissariat geht davon aus, dass allein in diesem Jahr bereits über 500 Bootsflüchtlinge auf dem Weg aus Afrika nach Europa im Mittelmeer ertrunken sind. Doch da viele Boote spurlos verschwinden, dürfte die Zahl der Todesfälle deutlich höher liegen.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte gibt der EU eine Mitschuld am Tod der Flüchtlinge. In einer jetzt vorgelegten Studie "Grenzschutz und Menschenrechte" kritisiert das Institut die fehlende Klarheit über Verpflichtungen und Zuständigkeiten an den EU-Außengrenzen. "Die Pflicht zur Seenotrettung wird nur mangelhaft umgesetzt", sagt Ruth Weinzierl, eine der Autorinnen der Studie. Schuld daran sei unter anderem, dass sich die Randstaaten der EU wie Malta, Griechenland, Italien oder Spanien mit den Problemen allein gelassen fühlten. Dadurch verzögere sich die Rettung oft um die entscheidenden Stunden oder gar Tage, so Weinzierl.

Für rechtswidrig hält das Institut die gängige EU-Praxis, Bootsflüchtlinge auf hoher See abzufangen und in ihre Ausgangshäfen zurückzubegleiten. Zumal die europäische Grenzschutzagentur Frontex bei dieser "vorgelagerten Migrationskontrolle" zum Teil mit Staaten zusammenarbeite, die Menschenrechte verletzten. Die auf hoher See geretteten Menschen müssten in jedem Fall in einen EU-Staat gebracht werden, um dort ihre Schutzbedürftigkeit zu überprüfen.

Als problematisch schätzt Weinzierl auch ein, dass Schiffskapitäne, die Schiffsbrüchige aufgreifen, oft mit Strafen wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung belangt würden. "Die Schiffseigner und die Besatzung dürfen nicht strafrechtlich verfolgt werden", sagt sie. In Italien steht derzeit eine Gruppe tunesischer Fischer, die ertrinkende Afrikaner gerettet und nach Sizilien gebracht hatten, wegen Schlepperei vor Gericht.

Die Organisation "Pro Asyl" warf unterdessen Griechenland menschenunwürdige Behandlung von Flüchtlingen vor. "Die Küstenwache versucht, kleine Flüchtlingsboote zu blockieren und illegal aus den griechischen Gewässern zurückzudrängen", schreibt die Gruppe in einem Bericht. "Flüchtlinge werden von der Küstenwache zurückgewiesen und auf unbewohnten Inseln ausgesetzt. Die griechische Küstenwache misshandelt systematisch neu ankommende Flüchtlinge." Ein Boot sei vor der Insel Lesbos aufgebracht worden. Ein Flüchtling berichtete gegenüber "Pro Asyl": "Die Beamten schlugen uns. Dann fuhren sie mit uns zurück auf das offene Meer. Wir mussten unsere Gürtel und Schuhe ausziehen und wurden ohne Wasser und Nahrung auf einer unbewohnten Insel ausgesetzt. Erst nach drei Tagen wurden wir von einem Boot der türkischen Küstenwache gerettet."

Auch der Grenzübertritt aus der Türkei nach Griechenland auf dem Landweg sei riskant. 2006 seien knapp 20.000 illegal eingereiste Menschen in Griechenland in Haft gewesen. Dieses Jahr seien bisher knapp 8.000 Flüchtlinge bei der Einreise auf dem Landweg verhaftet worden und knapp 5.000 auf dem Seeweg.

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