Ehrenspalier für Rotchina

Chinas Staatspräsident Hu Jintao besucht am Samstag NRW. Folter oder Zensur in der Volksrepublik werden kaum ein Thema sein: Es winken lukrative Wirtschaftsaufträge aus dem Reich der Mitte

VON ANDREAS WYPUTTA

Chinas Staatspräsident Hu Jintao soll während seines Besuchs in Nordrhein-Westfalen mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert werden. Das fordert die Vorsitzende der Grünen im Landtag, Sylvia Löhrmann. Es sei „politischer Konsens aller demokratischen Parteien in Deutschland, Fragen der Demokratisierung und die Einhaltung der Menschenrechte zum Thema zu machen“, schreibt Löhrmann an Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers: Der Regierungschef müsse sich persönlich für Meinungsfreiheit, gegen die Verhaftung Oppositioneller einsetzen.

Hu Jintao wird am Samstag zusammen mit seiner Frau Liu Yongqing von Berlin kommend auf dem Düsseldorfer Flughafen landen. Regierungschef Rüttgers und seine Frau Angelika werden das Paar mit einem „Ehrenspalier“ empfangen. Danach steht ein Gespräch zwischen Rüttgers und Hu auf dem Programm. Anschließend fahren die beiden nach Dortmund. Thema dort wird vor allem der Strukturwandel im Ruhrgebiet sein – auch in China wird die Folgenutzung ehemaliger Zechengelände zum Problem. Auf gute Geschäfte hofft vor allem der Essener Bergbaukonzern RAG: Dessen Tochter Deutsche Bergbau-Technik (DBT) ist die Nummer zwei auf dem Weltmarkt, hofft auf lukrative Aufträge Chinas als weltgrößtem Kohleproduzenten. Begrüßt werden Hu und Rüttgers in Dortmund von RAG-Chef und Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller.

Auf ausdrücklichen Wunsch Hus steht auch der Besuch bei einer Dortmunder Bergarbeiterfamilie an. Mit dem Ende von Kohle und Stahl waren Dortmunder Vorzeige-Industrieanlagen wie die Westfalenhütte und die Kokerei Kaiserstuhl demontiert und nach China verschifft worden. Insgesamt exportierte Nordrhein-Westfalen 2004 Waren im Wert von 4,5 Milliarden Euro nach China, die Einfuhren lagen bei 9,5 Milliarden Euro.

Gegen 19:30 Uhr lädt Rüttgers den chinesischen Staatspräsidenten dann zu einem feierlichen Abendessen in Düsseldorfer Ständehaus. Ob der Ministerpräsident spätestens dann auf willkürliche Verhaftungen, fehlende Pressefreiheit oder die Unterdrückung Tibets eingehen wird, wollte seine Staatskanzlei gestern nicht kommentieren. „Wir werden nicht ankündigen, worüber der Ministerpräsident mit dem chinesischen Staatspräsidenten reden wird“, so eine Sprecherin zur taz. Dies gehöre „nicht zu den Gepflogenheiten“.

Keine Priorität hat die Frage der Menschenrechte auch für Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben. Zwar nehme die Christdemokratin an dem Abendessen teil, komme aber kaum in Kontakt mit Hu, sagt ihr Sprecher. „Von einem Treffen zu reden, wäre zu viel.“ Auch gegenüber der chinesischen Delegation werde die Ministerin die Menschenrechtsverletzungen nicht erwähnen. „Wir wissen ja noch nicht einmal, wer da mit am Tisch sitzt.“ Ob die ebenfalls geladenen Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von CDU, SPD und FDP zu irgendeiner Kritik durchringen wollen, bleibt ebenfalls unklar: Entsprechende Nachfragen der taz blieben unbeantwortet. FDP-Landesgeneralsekretär Christian Lindner fordert Ministerpräsident Rüttgers dagegen auf, über Folter und die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen im chinesischen Bergbau zu sprechen.

Auch Grünen-Chefin Löhrmann will sich gegenüber ihren Tischnachbarn für die Einhaltung der Menschenrechte stark machen – und weiß nicht, ob sie Hu die Hand geben würde: „Das habe ich mich noch nicht gefragt.“