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die wahrheitDem lieben Führer

Das geplante Denkmal für die Einheit soll nach Meinung der Leipziger in Leipzig stehen.

Das schöne Modell für das Denkmal in Leipzig steht in Pjöngjang. Bild: ap

Christian Führer, leitender Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, ist heute morgen pausenlos unterwegs, um für seine Forderung zu werben, das neue Einheitsdenkmal nach Leipzig zu holen. Doch wohin er auch kommt, fast überall zeigt die Website des ZDF-Morgenmagazins das Dialogfenster mit dem Hinweis: "Sie haben bereits abgestimmt, Herr Führer" an. "Das kann doch nicht sein! Habe ich wirklich schon an jedem verfluchten Computer dieser verdammten Stadt gesessen?", ruft der Pfarrer wütend, hält kurz inne und murmelt dann eine Entschuldigung gen Himmel.

Dennoch hat er schon jetzt viel erreicht: Leipzig hat bei der Online-Umfrage, wo das geplante Denkmal für die deutsche Einheit aufgestellt werden soll, deutlich die Nase vorn. Gegen den wilden Aktionismus des radikalen Protestanten können auch die drei ausländischen Studenten nichts ausrichten, die sich in der Livesendung des "Morgenmagazins" einhellig für Berlin als Ort des Denkmals aussprechen, weil sie von Leipzig noch nie etwas gehört haben. Bestechende 86 Prozent stehen mickrigen 16 Prozent für die Hauptstadt entgegen.

Sollte die Stadt es gegen alle Erwartung schaffen, sich mit ihrem Wunsch durchzusetzen, möchte sie allerdings ihren eigenen Entwurf aufstellen. Drei Vorschläge sind in die engere Wahl gekommen. Der erste: ein 120 Zentimeter hoher Pfeiler, der vor dem Gewandhaus installiert werden soll und auf Knopfdruck O-Töne der besagten Montagsdemo abspielt. Diesem Entwurf werden jedoch nur geringe Chancen eingeräumt, da die Aufnahmen ("Schdosie räus", "Mior sinn dos Volg" oder "Schliesd eisch on") sich "einfach scheiße peinlich anhören", wie ein Sprecher der Stadt einräumt.

Dabei hätte die Idee einen großen Vorteil: Da das Mahnmahl sowieso schon aussieht wie eine Notrufsäule, wollen die Entwickler daran außer dem Knopf "Geschichte" gleich noch einen "SOS"-Button anbringen, der es Ausländern ermöglicht, bei allzu ausgelassenen Einheitsfeiern, Fußballspielen der sechsten Liga oder ganz normalen Naziaufläufen um Hilfe zu rufen.

Ein Vorschlag, den auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee als ehemaliger Leipziger Oberbürgermeister unterstützt, ist die originalgetreue Darstellung der Montagsdemo vom 9. Oktober 1989 auf dem Innenstadtring. "Hier könnten tausende von Arbeitsplätzen entstehen, vor allem im Bildhauerbereich. 70.000 Plastiken plus Stasi, Vopos und Laster, stellen Sie sich das mal vor! Des Weiteren hätten wir wieder ein beispielloses Infrastrukturvorhaben für Leipzig", freut sich der Verkehrsminister, der zuletzt das Transrapidprojekt in München wegen zu hoher Kosten kritisiert hatte. "Schließlich müssten wir ja dann über das Denkmal eine weitere Hochstraße bauen - oder umgekehrt: Wir graben untendrunter einen neuen Citytunnel, das ist der Wahnsinn, ich glaub, ich kreisch gleich!", verliert Tiefensee endgültig jede Contenance.

Der sicherlich etwas billigere, aber nicht minder größenwahnsinnige dritte Entwurf kommt von Christian Führer selbst: eine überdimensionale Plastik des Pfarrers, der am 9. Oktober 1989 die friedlichen Massen von seiner Nikolaikirche aus einmal um den Ring führte und damit die SED-Führung zur totalen Kapitulation zwang. Die Statue soll auf einem zwölf Meter hohen Sockel stehen und den rechten Arm prophetisch in die Ferne recken. Aufgestellt werden soll sie gleich am Bahnhofsvorplatz, kleinere Abdrücke davon werden an zwölf weiteren Orten der Messestadt platziert, "damit die Leipziger und ihre Gäste gefälligst im Gedächtnis behalten, wem sie die ganze Scheiße zu verdanken haben", sagt der Hardcore-Lutheraner und lacht irre.

Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung verteidigt das Modell: "Hier haben wir die einmalige Gelegenheit, zu zeigen, dass es in der deutschen Geschichte nicht nur schlechte Führer gab." Zunächst muss Führer aber weiter für Leipzig Stimmung machen. "Und das geht erst mal am besten bei dieser Meinungsumfrage", sagt er gehetzt und steigt auf sein Fahrrad. Es gibt kaum einen Rechner in Leipzig, an dem der engagierte Einzelkämpfer noch nicht gesessen hat. "Aber einen werde ich schon noch finden."

Der liebe Führer will weiter kämpfen. Für Leipzig, für Deutschland und seinen Endsieg: das Einheitsdenkmal. Man kann nur hoffen und beten, dass er damit nicht durchkommt.

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3 Kommentare

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  • D
    Daniel

    Nichts als billige Polemik - gerade zu dem Thema hätte ich von der taz deutlich mehr erwartet. Schade.

     

    Ernüchterte Grüsse aus Zürich

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Dies ist die Wahrheitsseite auf taz.de. Eine Satireseite. Mehr unter http://www.taz.de/1/wahrheit/selbstdarstellung

  • M
    Markus

    Naja, der Artikel scheint mir dann doch etwas vermessen und nicht wirklich lustig! Habe da schon deutlich bessere Komik bezüglich des Ost-Themas gelesen. Klischee-Wälzen allein ist noch lange nicht revolutionär witzig!

     

    Grüße aus Hamburg

  • T
    Thomas

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    ich denke es geht in dem hier abgebildeten Artikel nicht um dieses Denkmal, so analysiere ich die Formulierung des Textes. Ich muss zu geben das ich schon bessere Artikel gelesen hab und bin der Meinung das sich auch jeder Berliner freuen würde wenn das Denkmal bspw. auf dem Alex stehen würde ich weis nur nicht ob es so schön wäre wenn ein: "ick" kann dir helfen! aus dem Hilfe-Lautsprecher kommen würde? Alles in allem fehlt mir in diesem Artikel die Neutralität. Es ist eben die wahrheit