Wahlkampf in Hessen: SPD setzt voll aufs Schattenkabinett

Roland Kochs Herausfordererin Ypsilanti macht mit ihrem Schattenkabinett jetzt schon Punkte. Dagegen geht die CDU mit keinem einzigen neuen Namen ins Rennen.

Spitzenkandidatin der SPD, Andrea Ypsilanti, setzt auf "Powerfrauen". Bild: ap

WIESBADEN taz Noch knapp drei Monate bis zur Landtagswahl in Hessen. Trotz aller gegenteiligen Umfragewerte ist die Spitzenkandidatin der SPD, Andrea Ypsilanti, davon überzeugt, dass es reichen wird für einen Regierungswechsel in Wiesbaden. SPD und Grüne würden am Ende gegen Roland Koch obsiegen, behauptet die 50 Jahre alte Herausfordererin.

Eine kühne These angesichts von Kochs Vorsprung: Zwischen dem konservativen Lager mit Union und FDP auf der einen Seite und dem linken Lager mit SPD und Grünen auf der anderen, klafft aktuell noch eine Lücke von rund zehn Prozent. Ypsilanti behauptet weiter, dass die Linke nicht in den Landtag einziehen wird. Wenn doch, werde die SPD nicht mit ihr koalieren. Um die eigene Partei stark zu machen, setzt sie vor allem auf ihr Schattenkabinett.

Das Personal, das die Wende bringen soll, ist seit diesem Mittwoch fast komplett. Tatsächlich ist Ypsilantis Wunsch-Ministerriege auf nahezu allen Positionen mit kompetenten Politikerinnen und Experten von außen besetzt. Vergleichbares hat Ministerpräsident Koch nicht zu bieten. Er geht ausschließlich mit Leuten aus seinem bisherigen, reinen CDU-Kabinett ins Rennen.

Neu berief Ypsilanti nun die Politikwissenschaftlerin und frauenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Judith Pauly-Bender, 50, in ihr "Kompetenzteam". Niemand sei in der frauenpolitischen Szene in Hessen so gut vernetzt wie Pauly-Bender, sagte Ypsilanti. In Anbindung an die Staatskanzlei soll die Gründerin des Frauenhauses in Offenbach die "lange und stolze Tradition der SPD-Frauenpolitik fortführen". "Neun Jahre lila Pause sind genug", sagte Pauly-Bender. Im Kabinett Koch fehlt der Querflöte spielenden Sozialdemokratin der Widerpart. Für Frauenpolitik irgendwie mit zuständig ist dort die Sozialministerin.

Neu im Schattenkabinett der SPD ist auch die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Petra Fuhrmann. Die 52-Jährige hat Politik und Chemie an der TH Darmstadt studiert. Sie erhielt die Zuständigkeit für Soziales und Arbeit. Soziale Gerechtigkeit müsse wieder zur Maxime politischen Handelns werden, sagte sie bei ihrer Vorstellung. Acht Millionen Euro will die SPD für einen kostenlosen Mittagstisch für alle sozial benachteiligten Kinder zur Verfügung stellen. Und 10 Millionen Euro für die "aufsuchende Familienhilfe". Fuhrmann tritt gegen Sozialministerin Silke Lautenschläger an, die am Kabinettstisch von Koch bislang nicht sonderlich auffiel. Frauenpolitisch jedenfalls ist die "Frau der leisen Töne", wie die christdemokratische Juristin von Parteifreunden tituliert wird, immer noch ein unbeschriebenes Blatt.

Sie aber habe sich "Powerfrauen" in ihr Kompetenzteam geholt, frohlockte Ypsilanti. Schon mit der Juristin Nancy Faser, 37, hat sie das versucht. Als ihr größter Coup gilt allerdings die Einbindung des deutsch-finnischen Bildungsexperten Rainer Domisch, 61. Er sorgte für Schlagzeilen in ganz Deutschland - und für Besorgnis bei der Union. Kultusministerin Karin Wolff nämlich ist die Schwachstelle in Kochs Kabinett. Die Wolffsche "Unterrichtsgarantie plus" mit Hausfrauenbetreuung bei Stundenausfall regt Schüler, Lehrer und Eltern immer noch auf. Wolffs Einsatz für die Behandlung der biblischen Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht brachte selbst die CDU-Wunschpartnerin FDP auf. Die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre, genannt G 8, sei von ihr in einem unverantwortlichen Feldversuch dilettantisch umgesetzt worden, bemängeln Experten. Die Grünen starten eine Unterschriftenaktion dagegen. Der Titel: "Stoppt Wolffs und Kochs G 8 - für gute Bildung und eine lebendige Kindheit und Jugend."

Punkte gegenüber der Union macht Ypsilanti auch mit ihrem Schattenminister für Wirtschaft und Umwelt, Hermann Scheer. Der 61 Jahre "Solarpapst" und Bundestagsabgeordnete der SPD ist ein europaweit anerkannter Experte für erneuerbare Energien und damit die Personifizierung von Ypsilantis Umweltprogrammatik. Sein Kontrahent in der Regierung Koch ist Landwirtschaftsminister Wilhelm Dietzel. Ein Landwirt, der sich für längere Laufzeiten der Atommeiler in Biblis einsetzt.

Am Team Ypsilanti also wird es primär nicht liegen, sollte die SPD ihr erklärtes Wahlziel nicht erreichen. Doch Koch hat längst zum Lagerwahlkampf aufgerufen: Die CDU im Schulterschluss mit der FDP gegen das "Linkskartell" aus SPD, Grünen und Linken. Andrea Ypsilanti dagegen will sachlich bleiben und ihr "besseres Personal" den Hessen überall und jeden Tag präsentieren. Die Hessen hätten so doch "die denkbar beste Wahl".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.