Schuhkartons unter Stuck

Die Villa am Osterdeich tritt in ihren nächsten Lebensabschnitt: Der Bremer Großkücheneinrichter A&O zieht in ehemaliges Scientologen-Haus. Käufer für Luxus-Wohnungen gesucht

Ein nobles Medizin-Zentrum sollte es werden, dazu kam es allerdings nieWelche Firma verfügt schon über einen Spiegelsaal oder ein Herrenzimmer?

Bremen taz ■ Abenteuer ist das Lieblingswort von Jochen Laschinsky. „Es war ein großes Abenteuer“, sagt er zum Beispiel. „Eines, das Dimensionen angenommen hat, mit denen niemand rechnen konnte. Aber jetzt bin ich froh.“ Was den Bremer Kaufmann so freut, ist die Tatsache, letztlich doch einen respespektablen Mieter für die Frerichs-Villa am Osterdeich 27 gefunden zu haben. Nun ist dort die Bremer A&O GmbH eingezogen, was den vorläufigen Schlussstrich unter die bewegte Geschichte des Prachtbaus setzt.

Jahrelang war die Villa zuvor mehr im Gerede als im Gespräch: Nachdem sie den Nazis als Offiziersmesse diente, später verschiedene Ämter der Stadt beherbergte, zogen 1992 die Scientologen in den klassizistischen Bau. 1997 kaufte Laschinsky die Villa, Scientology blieb noch drei Jahre, dann zog die Sekte aus. 2000 kaufte ein Arzt aus Achim das Gebäude. Ein nobles Medizin-Zentrum sollte es werden, dazu kam es allerdings nie. Vielmehr wanderte der Mediziner 2003 wegen Verabredung zum versuchten Totschlag für mehr als vier Jahre in den Knast. Seine Firma war zu diesem Zeitpunkt längst insolvent.

Das war die Zeit, in der Laschinsky den Arzt „wieder aus dem Grundbuch herausbekam“, wie er das gestern bei einer Pressekonferenz in den mittlerweile von A&O bezogenen Räumen ausdrückte. Die Firma ist nun so genannter Ankermieter, hat sich für zehn Jahre verpflichtend auf 480 Quadratmetern in der Beletage eingemietet. Planung, Bau und Einrichtung von Großküchen sowie Kantinen sind das Geschäftsfeld der bundesweit tätigen Firma. Das Marienhospital Herford oder der Stuttgarter Engineering Park etwa gehören zu den Kunden des 2001 gegründeten Unternehmens.

Jetzt stehen die beiden Geschäftsführer Joachim Beneke und Lars Görg in den fast fünf Meter hohen Räumen der Villa und strahlen eine fast ehrfürchtige Begeisterung aus. „Wenn man immer wieder Schuhkartons baut in unterschiedlichen Größen, ist eine solche Arbeitsumgebung eine schöne Abwechslung“, sagt Görg und meint zumindest das mit den Schuhkartons nicht ganz ernst. In der Tat sind die fast fünf Meter hohen, generalsanierten Räume beeindruckend, prachtvolle Ornamente schmücken die Decken der 1882 erbauten Villa. Ein gewaltiger Treppenaufgang aus Marmor ziert den Eingangsbereich. Architektin Beata Szymanska, eine von 15 Angestellten, muss gar aufpassen, sich bei der Arbeit nicht ablenken zu lassen. „Man entdeckt immer wieder faszinierende Details“, schwärmt sie.

Die Einrichtung dagegen habe man bewusst zeitlos modern gehalten, um nicht mit der historischen Bausubstanz zu konkurrieren, erklärt Geschäftsführer Joachim Beneke, selbst Architekt. Mit einem Nebeneinander der Stile will A&O auch die Bemühungen des Eigentümers würdigen, das denkmalgeschütze Gebäude weitgehend in seinem Urzustand zu erhalten. „Zuviel“ antwortet Jochen Laschinsky gern lakonisch auf die Frage, wieviel er in sein Villen-Abenteuer investiert habe. Es seien mal zwei Millionen Euro gewesen, verrät er noch. „Da sind wir jetzt aber locker drüber.“

Derzeit sucht Laschinsky noch betuchte KäuferInnen für die in den oberen Stockwerken derzeit entstehenden acht Wohnungen und Appartements. Bis zu 257 Quadratmeter sind diese groß, ebenfalls klassizistisch im Stil, zum Teil mit Wintergarten – und bis zu 650.000 Euro teuer. Einen konkreten Interessenten habe er bereits, sagt Laschinsky. Was die anderen Luxusheime anbetrifft ist er „ganz zuversichtlich“.

Auch A&O-Geschäftsführer Görg glaubt sich derweil mit der Firma am Ziel – zumindest geographisch. „Ich sehe uns hier perspektivisch für immer“ sagt er ein wenig pathetisch und verweist auf den außergewöhnlichen Rahmen für Präsentationen. Verstehen kann man das. Welches Unternehmen verfügt schon über einen Spiegelsaal oder ein Herrenzimmer? In diesem arbeiten im Jahr 2005 allerdings mehrheitlich Damen.

Achim Graf