die wahrheit: Irgendwas mit Afrika

Das Feeling des Schwarzen Kontinents gibt es jetzt preiswert beim Discounter.

Afrika, Wiege der Menschheit und nächster Kontinent, auf dem eine Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet. Horst Köhler fährt öfter mal runter, aber auch Angela Merkel sieht sich das Abziehbild sonniger Träume gern selbst an. Sie sind nicht die Einzigen. Überall auf der Welt sind die Menschen der Faszination des Schwarzen Kontinents erlegen. In China hatten sie 2006 sogar das Afrika-Jahr ausgerufen. Der unersättliche Rote Drache weiß eben, wo es noch was zu holen gibt. Alle kümmern sich und tun und machen. Die Welle der Sympathie, die die Riesenscholle umspült, entwickelt sich langsam zu einem Tsunami.

Auch aus den einstigen Kolonialländern landeten zuletzt zahllose freundliche Helfer an. Zum Beispiel der Berufsabenteurer Richard Branson, der nicht nur der Typ aus dem Heißluftballon sein wollte, wenn man sich an ihn später erinnerte. Bei Bob Geldof ist es eher umgekehrt. An ihn dürfte sich bald kaum noch jemand als Musiker erinnern, sondern als denjenigen, der den Afrika-Benefiz zu einer eigenen Event-Kategorie professionalisiert hat.

Das Unglück des Kontinents ist groß genug für alle Wohltätigkeitsaktivisten. Das dachte sich wohl auch das Dumm-Dumm-Geschoss Paris Hilton, die ihr verkorkstes Promidasein nach ihrem viel zu kurzen Gefängnisaufenthalt beenden wollte. Infolge eines verirrten Geistesblitzeinschlags kam sie kürzlich auf die Idee, ein neues, irgendwie sinnvolles Leben zu beginnen. Die groß angekündigte Reise nach Ruanda, bei der sie auf die Armut der Menschen aufmerksam machen wollte, fiel jedoch aus, nachdem die beteiligte Stiftung "Playing For Good" wohl doch noch den schlechten Witz bei der Sache erkannte. Für die armen Menschen in Ruanda war die Absage vermutlich die größte Wohltat, die ihnen in diesem Jahrzehnt widerfuhr.

Immerhin kam die Hilton-Göre noch nicht auf die Idee, ein süßes schwarzes Kindlein zu adoptieren, obwohl es gerade die hippste Disziplin unter Afrikahelfern ist. Seit Protagonistinnen des sogenannten Celebrialism wie Madonna oder Angelina Jolie damit die bunten Blätter zum ewigen Rauschen bringen, stieg die Nachfrage nach Babys in black auch unter nichtberühmten Westlern, die ihr Gutsein gern exotisch drapieren. Kein Wunder, dass es da zu Engpässen kommen kann, vor allem, wenn es unvorhergesehene Lieferschwierigkeiten gibt wie im Falle der französischen Organisation Arche de Zoé. Ihr illegaler Versuch, 103 afrikanische Kinder aus dem Tschad auszufliegen, um sie "vor dem sicheren Tod zu retten", endete mit der Verhaftung der Retter und einer Anklage wegen Entführung Minderjähriger. Nun wurden sie auch noch von einem französischen Ehepaar angezeigt, das bereits 2.400 Euro für ein Gastkind angezahlt hatte. Undank ist der Welten Lohn auch für Frau Jolie, die gerade von der äthiopischen Mutter ihres Adoptivkinds eine angebliche Rückgabeforderung auf dem Tisch liegen hat.

Wer sich so eine Art moderner Trophäenjagd sowieso nicht leisten kann, aber auch gern ein Stück "Afrika-Feeling ins Haus" holen will, der kann bei der Handelskette Plus ein buntes Bild erwerben, mit Echtheitszertifikat, für 49 Euro. Der Afrika-Trend hat - angeschoben von Spiegel, Bild und ZDF - die deutschen Discounter-Filialen erreicht. Bei Plus, Real und Co. wurde zuletzt so viel Afrika-Merchandising feilgeboten, als wäre Horst Köhler persönlich für die Produktlistung zuständig. Die Werbeprospekte und Kataloge sind voll mit geschnitzten und bemalten Waren des täglichen Tinnefbedarfs. Millionen Holzgiraffen und -elefanten sowie Bilder von Massai vor untergehenden Sonnen dürften inzwischen in deutschen Haushalten heimisch geworden sein.

Wenn der Kitsch denn wenigstens Made in Africa wäre, es hätte immerhin ein Gutes. Bei besagtem Plus-Angebot handelt es sich allerdings um ein "Handgemaltes Original auf Leinwand von deutschen Künstlern". Überdies ist etlicher Krempel bestenfalls mit "afrikaaffin" zu umschreiben. So wie jenes schwarz-weiß gestreifte "Fleckchen Wildnis" fürs Wohnzimmer, das sich in der kleingedruckten Beschreibung als Kuhfell in Zebraoptik entpuppt. Was immerhin gut ist für die Zebras.

Schön ist auch, dass man heutzutage kein Kolonialherr mehr sein muss, um sich schicke Kolonialmöbel ins Wohnzimmer zu stellen. Laut Neckermann zeigt man sich so schlicht als Freund einer "Lebensart, die ihre Wurzeln nicht vergisst". Die Werbelyriker von Plus finden dagegen, dass Kolonialstilausfertigungen "ein Flair von Tradition und Beständigkeit" vermitteln.

Ach, wenn die Afrikaner doch wüssten, wie sehr das große Schwärmen über ihre Heimat die Deutschen erfasst hat. Die deutsche Fußballnationaltorhüterin Nadine Angerer antwortete vor kurzem auf die Frage eines Journalisten, für welches Produkt sie denn gern werben würde: "Für irgendwas, bei dem es um Afrika geht." Warum nicht für ein Fußballtor im Kolonialstil. Modell "Südafrika 2010".

GUNNAR LEUE

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