EU-Agrarsubventionen: Das Ende der Quote

Laut EU-Beschluss sollen in Zukunft weniger Agrarsubventionen fließen. Die Kommission möchte stärker auf Umweltschutz und weniger auf Großbetriebe setzen.

Die EU legt sich mit Bauernverbänden an: Die Förderung von Kleinbetrieben soll entfallen. Bild: ap

BRÜSSEL taz "Angepisst" sei sie von der leidigen Geschichte mit den Golfplätzen, sagte die gepflegte Dame mit dem silbernen Haarschopf. Dann fand Mariann Fischer Boel ihre freundliche Ruhe wieder. Der Europäische Rechnungshof hatte gerügt, dass Grünlandprämien aus dem EU-Agrartopf an Golfklubs in Irland und Großbritannien geflossen waren. Die Landwirtschaftskommissarin tat das als unwichtige Anekdote ab, sie blieb am Dienstag dabei: Die europäische Agrarpolitik sei auf dem richtigen Weg und brauche nur etwas "Feinjustierung".

Noch immer fließt ein großer Teil des EU-Haushalts in die Agrarsubventionen. Dank mehrerer Reformen wird im nächsten Jahr die Regionalförderung die Agrarsubventionen erstmals knapp übertreffen. 129,2 Milliarden Euro sind im Haushaltsentwurf veranschlagt. 43,6 Prozent davon sind für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Umwelt vorgesehen. Zu den großen Subventionsempfängern zählen hierzulande adlige Grundbesitzer, RWE und ehemalige landwirtschaftliche Produk-tionsgenossenschaften im Osten. DPS

Die Instrumente, die seinerzeit von Landwirtschaftskommissar Franz Fischler eingeführt wurden, hätten sich bewährt, meint die Barroso-Kommission. Sie sollen deshalb ausgebaut werden. So sollen die Zahlungen an die Bauern noch stärker als bisher vom erzeugten Produkt und von der Produktionsmenge abgekoppelt werden. Dadurch könne jeder Betrieb mehr auf die Bedürfnisse des Marktes eingehen und produzieren, was wirklich gebraucht werde.

Die Zuschüsse sollen nach einem Punktesystem aus Flächengröße und -qualität fairer als bisher verteilt werden. Die Voraussetzungen dafür, etwa artgerechte Haltung und Landschaftspflege, sollen vereinfacht, aber auch um neue Kriterien wie Klimaschutz und sparsamen Umgang mit Wasser erweitert werden. Statt 5 Prozent des Agrarhaushalts sollen mittelfristig 13 Prozent in die ländliche Entwicklung umgelenkt werden. Damit könnten neue Produktionszweige in strukturschwachen Gebieten oder Tourismus im ländlichen Raum gefördert werden.

Dem neuen vorsichtigen Stil der EU-Kommission entsprechend, enthält die "Mitteilung" aus Brüssel nur wenige harte politische Forderungen. Sie verpackt ihre Anregungen vielmehr in Fragen und leitet damit eine sechsmonatige Diskussionsrunde ein, in der Bauernverbände, Umweltschützer und Mitgliedsländer ihre Argumente einbringen sollen. Erst im Lauf des Jahres 2008 will die Kommission daraus ihre Position entwickeln, die in die von den Mitgliedstaaten vereinbarte Halbzeitprüfung des EU-Budgets einfließen soll.

Konkrete Hinweise, in welche Richtung die Reise gehen soll, gibt es aber schon. Sie sorgten prompt für Protest bei den Bauernverbänden. So soll die Förderung für Kleinbetriebe entfallen, da der bürokratische Aufwand im Vergleich zu den Subventionssummen unverhältnismäßig groß sei. Bislang können Betriebe ab 0,3 Hektar Geld aus Brüssel erhalten. Auf welche Fläche die Schwelle angehoben werden soll, darüber schweigt man sich aus. Auch die schon lange diskutierte Obergrenze wird nicht präzisiert. Ab einer Summe von "beispielsweise 100.000 Euro pro Jahr", heißt es im Begleittext, könnten die Zahlungen stufenweise gekürzt werden. Die Milchquote, die nach dem Willen der Mitgliedsländer 2015 ganz abgeschafft wird, soll bis dahin stufenweise angehoben werden, um die Auswirkungen auf den Milchpreis abzumildern.

Der deutsche Bauernverband möchte stattdessen einen "Milchfonds", aus dem die Bauern ab 2015 dafür entschädigt werden, dass nach Abschaffung der Quoten mehr Milch auf den Markt kommt und die Preise sinken. Weitere Umschichtungen in die ländliche Entwicklung lehnt der Verband ab. Auch Kürzungen für Großbetriebe will er nicht hinnehmen. In einem Satz lässt sich die Position des Deutschen Bauernverbandes so zusammenfassen: Bis zum Ende der Finanzperiode im Jahr 2013 soll an der europäischen Agrarpolitik kein Komma geändert werden.

Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace, kritisiert die Vorschläge aus Brüssel hingegen als "Trippelschritte - aber immerhin in die richtige Richtung". Wenn es die Kommission ernst meine mit dem Klimaschutz, müsse sie eine Stickstoffabgabe einführen und den Methanausstoß eines Betriebes in die Liste der Nachhaltigkeitskriterien aufnehmen. Die Deckelungsgrenze von 100.000 Euro Jahressubventionen hält Hofstetter für zu hoch. "Das entspricht einer Betriebsgröße von 250 Hektar", sagte er der taz. "Ich kenne Betriebe, wo das ein Bauer allein bewirtschaftet. Wer mit dem Ackerbau gut verdient, sollte nicht zusätzlich Alimente bekommen."

Zahlen aus Brandenburg, die gestern bekannt wurden, belegen das Missverhältnis zwischen Subventionen und Bedürftigkeit. 2005 war die Golzow Betriebs GmBH im Oderbruch mit 2,2 Millionen Euro zweitgrößter Empfänger im Land. "2005 erhielten die 100 größten Zahlungsempfänger, also 1,5 Prozent der Betriebe, 92 Millionen Euro, das entspricht 25 Prozent der Direktzahlungen von Brüssel nach Brandenburg", so Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Dagegen teilten sich 5.360 Betriebe, also 85 Prozent, 80 Millionen Euro." Er kritisiert, dass die größten Betriebe automatisch die größten Beträge erhalten: "Wie viele Menschen in den Betrieben Arbeit und Einkommen finden, spielt für die Höhe der Zahlungen keine Rolle. Das bedeutet, dass die Betriebe einen Anreiz haben, Arbeitsplätze abzubauen."

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