Regierung plant mehr Pflanzensprit: "Mogelpackung" im Tank
Umwelt- und Landwirtschaftsministerium planen, die Beimischung von Pflanzentreibstoff deutlich zu erhöhen. Die Grünen und Greenpeace kritisieren dies als Augenwischerei.
BERLIN taz Die Bundesregierung will den Anteil von Agrosprit an Kraftstoffen deutlich erhöhen. Damit soll der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich spürbar steigen und so Deutschlands Beitrag zum Klimaschutz erfüllt werden. Einen entsprechenden Plan stellten am Mittwoch Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) und Umweltminister Siegmar Gabriel (SPD) in Berlin vor. Die Grünen kritisierten das Konzept als "Mogelpackung".
Der Anteil des Pflanzensprits an Benzin und Diesel soll bis 2010 von 5 auf 10 Prozent steigen, kündigten Gabriel und Seehofer an. Bis 2020 ist ein weiterer Anstieg auf 20 Prozent geplant. "Biokraftstoffe können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten - allerdings nur, wenn sie signifikant zur CO2-Reduktion beitragen", so Gabriel. Dies werde gesetzlich sichergestellt, da Deutschland weltweit erstmals die Nettobilanz des Pflanzensprits zur Berechnungsgrundlage mache. Damit soll die Energie, die zur Erzeugung von Agrosprit aufgebraucht wird, aus der Klimabilanz herausgerechnet werden. Kraftstoffe aus Raps und Getreide schneiden hier schlecht ab.
Gabriel und Seehofer wollen zudem durch Zertifizierung von Agrosprit einen nachhaltigen Anbau sichern. "Es kann nicht sein, dass anderswo auf der Welt Wälder gerodet und Moore trockengelegt werden, um Palmöl anzubauen, das dann bei uns als vermeintlich klimafreundlicher Rohstoff eingesetzt wird", so Gabriel. Agrar- und Umweltministerium arbeiten derzeit an einer Nachhaltigkeitsverordnung, die für deutschen und importierten Agrosprit gelten soll. Beide Minister verwiesen auf internationale Regelungen für solche Zertifizierungen - bis diese zustande kommen, können allerdings Jahre vergehen. Gabriel zeigte sich deshalb offen für bilaterale Regelungen, etwa mit Brasilien, das sein Agrar-Ethanol nach Deutschland exportieren will und die Diskussion um abgeholzte Regenwälder fürchtet.
Die Befürchtung, der Anbau von Energiepflanzen könne die Nahrungsmittelproduktion verdrängen, wies Seehofer zurück. In Deutschland seien auch in der Vergangenheit Pflanzen zur Energiegewinnung, nämlich als Futter für Zugtiere, angebaut worden. Zudem lägen viele Flächen brach, die künftig genutzt werden könnten. Außerdem könne man für Biokraftstoffe der nächsten Generation auch Rohstoffe wie Holz, Stroh und Gülle verwerten.
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn kritisierte die Regierungspläne. "Die Bundesregierung setzt nicht auf das effiziente Biogas, sondern auf die alten Kamellen Biodiesel und Bioethanol und legt gleichzeitig wieder eine Mogelpackung beim Klimaschutz vor", so Höhn zur taz. Der Mittelstand und die deutschen Bauern würden ausgebootet. "Von der Beimischungspflicht profitieren die großen Produzenten, die in zentralen Anlagen oft importierte Pflanzen verarbeiten." Gleichzeitig werde die Einfuhr von Palmöl aus Indonesien gefördert. Das werde den Druck auf die Nutzung von Mooren und Regenwäldern weiter erhöhen.
Stefan Krug, Leiter des Berliner Greenpeace-Büros, warf Seehofer und Gabriel Schönfärberei vor. "Keiner kann sagen, wo die Pflanzen für den Agrosprit nachhaltig angebaut werden können", sagte Krug der taz. Auch die synthetischen Kraftstoffe aus Biomasse seien keine Lösung. Die benötigten Techniken seien frühestens 2015 marktreif. "Wir müssen aber schon in den nächsten zehn Jahren Erfolge erzielen, wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen", so Krug. "Deutschland braucht nicht weitere Kraftstoffe, sondern Autos, die viel weniger verbrauchen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!