Polizeigesetz: Rot-Rot gönnt sich keine Krise
Mit einer Stimme Mehrheit beschließt das Abgeordnetenhaus die umstrittene Reform des Polizeigesetzes. Zwei Abgeordnete der Linken enthalten sich trotz heftiger Kritik von Grünen und FDP.
Videoüberwachung bei Einsätzen mit Polizeifahrzeugen und bei Großveranstaltungen, Zugriff auf Bänder der BVG, Ortung von vermissten Personen über ihr Handy. All das wird künftig der Berliner Polizei nicht mehr verboten sein. Denn die umstrittene Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) wurde am Donnerstag mit der knappen Mehrheit von 74 zu 73 Stimmen beschlossen. Zwar enthielten sich wie angekündigt die beiden Linken Evrim Baba und Mari Weiß. Dennoch blieb Rot-Rot noch eine Stimme mehr als der Opposition, die geschlossen gegen das Gesetz votierte.
Zum ersten Jahrestag ihrer Neuauflage blieb der rot-roten Koalition somit eine erneute Blamage erspart. Bei der Wiederwahl von Klaus Wowereit vor genau einem Jahr hatte es eine Pleite gegeben. Der Regierende Bürgermeister hatte erst den zweiten Wahlgang gewonnen. Und selbst da gab es noch eine Gegenstimme aus den eigenen Reihen.
Die Mehrheit für die Asog-Reform wäre am Donnerstag weitaus größer ausgefallen, hätten die Fraktionen nicht taktisch gestimmt. Neben der SPD stand vor allem die CDU hinter der Ausweitung der Polizeibefugnisse. Ihr Innenexperte Frank Henkel begrüßte, dass der Senat nun endlich alte Forderungen der Union umsetze. Doch längst will sie mehr. So war es für Henkel unverständlich, dass Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Grafitti als geringfügige Straftat einstufe, bei der die Videoüberwachung ausgeschlossen bleibe.
So blieb der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Marion Seelig, die undankbare Aufgabe, zu erklären, warum ihre Fraktion für den "nicht unerheblichen Eingriff in die Grundrechte" stimme. Immerhin verteidigte sie die Handy-Ortung vermisster Personen. "Das ist kein Teufelszeug", meinte Seelig. Doch ihr Hauptargument blieb die Koalitionsräson: "Leider konnten wir uns bei den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen."
"Das ist ein trauriger Tag für die Linksfraktion", meinte daraufhin der FDP-Abgeordnete Björn Jotzo. Die nun anstehende "Totalüberwachung des öffentlichen Nahverkehrs" sei eine Neuauflage von George Orwells 1984.
Ähnlich dramatisch argumentierte Volker Ratzmann. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion sprach von gefährlichen Zeiten für den Rechtsstaat. Der sei nicht nur durch die ständigen Vorschläge von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefährdet. Mit dem neuen Asog öffne auch Körting die Tür in Schäubles Welt. Nun sei vor jeder Demonstration die komplette Videoüberwachung von U-Bahnen möglich, sagte Ratzmann. Körting schüttelte den Kopf.
Nach Verkündung des Ergebnisses hielten die Grünen Plakate mit Kameras über ihre Köpfe. Weiß und Baba, die Kritikerinnen der Linken, gaben noch persönliche Erklärungen ab. Die Reform sei "ein Einschnitt in die Freiheitsrechte, die in keinem Verhältnis zum Erfolg stehen", sagte Baba. Ihr Nein gegen die Novelle hätte aber die künftige Verhandlungsposition der Linken geschwächt, so Baba. Ähnlich argumentierte Mari Weiß. Sie setzt auf die für das Jahr 2010 beschlossene Evaluation der Asog-Novelle. "Bestimmte Verfahren werden sich als untauglich erweisen", prophezeite Weis. Damit die dann zurückgenommen werden können, brauche es eine rot-rote Koalition. Deshalb habe sie nun nicht mit Nein gestimmt.
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