Verfassungsstreit in Bolivien: Morales nutzt Fehlen der Opposition

Während die Opposition friedlich gegen die neue Verfassung Boliviens streikt, treibt Präsident Evo Morales deren Verabschiedung weiter voran.

Wird nicht überall so gefeiert: Präsident Morales. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz In Bolivien ist der Generalstreik in sechs von neun Provinzen des Landes gegen die geplante neue Verfassung am Mittwoch friedlich verlaufen. Branco Marinkovic, der Vorsitzende des Zivilkomitees von Santa Cruz und einer der Organisatoren, zeigte sich mit der Beteiligung zufrieden. "Wir werden unseren zivilen Widerstand gegen die undemokratische Regierung fortsetzen." Mit dem 24-stündigen Ausstand wollte die Opposition auch gegen Polizeieinsätze bei gewaltsamen Protesten am vergangenen Wochenende protestieren.

Mit Gelassenheit reagierte die Regierung von Präsident Evo Morales auf den Streik. "Im Kern dient er zur Verteidigung des neoliberalen Modells," so Morales. Der Präsident nutzte den Tag für einschneidende Entscheidungen. Die Abgeordneten seiner Regierungspartei MAS stimmten im Kongress für eine allgemeine Grundrente für Personen ab 60 Jahre.

Das Gesetzesvorhaben war zwischen Regierungslager und der Opposition wegen seiner Finanzierung heftig umstritten, denn das Geld geht zu Lasten der Provinzen. Diese bekommen demnächst entsprechend weniger aus den Steuereinnahmen aus den nationalen Öl- und Gasverkäufen zugeteilt. Morales kündigte an, dass durch die so genannte "Rente der Würde" zukünftig rund 700.000 Menschen monatlich 200 Bolivianos (rund 18 Euro) erhalten werden.

Nach der Verabschiedung feierte Morales vor Tausenden seiner Anhänger: "Ohne Euch wäre das Gesetz niemals durchgekommen." Diese hatten seit der Nacht die Zugänge zum Kongress blockiert und ließen am Mittwoch die Abgeordneten der Opposition nicht in das Gebäude. Lediglich einigen wenigen gelang es, als Arbeiter verkleidet in den Sitzungssaal zu gelangen.

Per Dekret hatte Präsident Morales zudem rund 180.000 Hektar Land im Bezirk Chuquisaca enteignet. Das Land werde an dreizehn indigene Gemeinschaften der Guaraní in der Region übergeben, so Morales. Für die Opposition ist die Maßnahme eine Strafaktion gegen Chuquisaca. Der Bezirk hatte sich erst vor kurzem in die Gruppe der oppositionellen Regionen eingereiht.

In einer Überraschungsaktion nutzte Morales die Abwesenheit der Opposition im Kongress, und ließ sich die Wiederaufnahme der Verfassunggebenden Versammlung an jedem beliebigen Ort im Land von Parlament bestätigen. Sobald das Gesetz die Unterschrift des Präsidenten trägt tritt es in Kraft. Zwar bleibt die Hauptstadt Sucre weiterhin offiziell der Sitz der Versammlung, aber ein Gesetzeszusatz erlaubt der Vorsitzenden Silvia Lazarte "die Sitzungen an jedweden Ort auf nationalem Gebiet" einzuberufen.

Seit rund drei Monaten konnte die Verfassunggebende Versammlung in Sucre nicht mehr regelmäßig tagen. Immer wieder war es zu Blockaden und Protesten der Opposition rund um das Sitzungsgebäude gekommen. Schon seit längerem hatte die Regierung eine Verlegung an einen anderen Ort angedroht. In der Nacht zum Sonntag hatte die Versammlung den Verfassungsentwurf mit 136 von 255 Stimmen im Ganzen angenommen. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Sie fordert für die Verabschiedung eine Zweidrittelmehrheit, die Regierung verfügt jedoch nur über die einfache Mehrheit. Zudem verlangt sie, dass jeder Verfassungsartikel einzeln verabschiedet wird.

Mit der jetzigen Entscheidung hat Morales die Opposition erneut herausgefordert. Bis zum 14. Dezember soll nun in Marathonsitzungen die letzten Details der neuen Verfassung verabschiedet werden. Für Mitte Dezember kündigte der Präsident einen großen Marsch des Volkes an. Dabei soll die neue Verfassung symbolisch zum Kongress getragen und übergeben werden.

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