Wirtschaft: Schönwetter-Investor mit dunklen Seiten

Das RAW-Gelände in Friedrichshain, das viele linke und kulturelle Projekte nutzen, hat einen neuen Besitzer. Die Nutzer fürchten, dass sie gehen müssen.

Am Donnerstag war wieder Schönwettertag für Klaus Wagner. Am Morgen traf er sich mit dem Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), und einigen Nutzern des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) nördlich der S-Bahn-Gleise zwischen Warschauer und Modersohnstraße. "Wagner ist in dem Gespräch sehr konstruktiv und kooperativ aufgetreten", berichtete Schulz. Schönwetter eben.

Klaus Wagner ist Geschäftsführer der R.E.D. Berlin Development GmbH. Seit dem 1. Dezember gehört dem Unternehmen das gut 70.000 Quadratmeter große RAW-Gelände. Seit das Werk 1994 stillgelegt wurde, haben verschiedene Gruppen sich kleine Teile der Fläche erobert, darunter der soziokulturelle Verein RAW-Tempel und Five-o GmbH mit ihrer Skaterhalle und dem Kletterturm. Dort finden unter anderem Konzerte und Theateraufführungen statt, politische Diskussionen und Workshops vielerlei kultureller Art. Viele der Projekte haben Mietverträge, meist noch für mehrere Jahre, allerdings nicht immer für alle von ihnen genutzten Gebäude. Sie fürchten, dass sie Investor Wagner im Weg sind.

Einen konkreten Plan zur Nutzung des Filetstückes, auf dessen Großteil derzeit alte Bahnhallen vor sich hin rotten, möchte der neue Eigentümer im Januar präsentieren. Der Bezirk will dabei darauf drängen, dass die derzeitigen Nutzer, die nur etwa 10 Prozent des weitläufigen Geländes für sich beanspruchen, dauerhaft bleiben können. Der Hebel des Bezirks ist dabei das Baurecht: Möchte der Investor Wohnhäuser bauen, braucht er dafür einen Bebauungsplan vom Bezirk. "Der Bebauungsplan ist im Grunde die Klammer, in der ein Interessensausgleich diskutiert und vereinbart werden kann", sagte Schulz der taz.

Auch Vertreter der derzeitigen Nutzer haben den Eindruck, dass es dem Investor am Donnerstag darum ging, sich als konstruktiven Partner darzustellen. Der Eigentümer habe auch schon eine erste "Idee, die noch ein ganz kleines Pflänzchen ist", präsentiert: Ihm schwebe so etwas wie das Union-Gelände in Frankfurt am Main vor. Auf dem Gebiet einer ehemaligen Brauerei wurde vieles neu gebaut und einige Highlights stehengelassen; es entstand ein alternativer Gewerbehof. Schon in der Vergangenheit hatte Wagner in der Öffentlichkeit versichert, er wolle keinen der aktuellen Nutzer von dem Gelände vertreiben - selbst wenn sie bisher noch keinen Mietvertrag haben. Ihm gehe es um die 90 Prozent des Areals, die derzeit brachliegen.

Doch die andere Seite des Investors zeigte sich am vergangenen Samstag - dem ersten Tag nach der Grundstücksübertragung von der Bahn-Gesellschaft Vivico Real Estate: Der neue Eigentümer hatte gleich seinen Wachschutz auf das Gebiet geschickt. Die Security wurde direkt fündig - und rief die Polizei. Nach deren Angaben fand in einem der Häuser eine Party mit 20 Personen statt. Die Beamten forderten die Anwesenden auf zu gehen, was diese letztlich "widerwillig" getan hätten, wie das Einsatzprotokoll vermerkt.

Da der Wachschutz zudem bemerkte, dass die Stahlkette, mit der das Haus gesichert war, zerstört worden war, nahm die Polizei eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung auf und notierte die Personalien des Veranstalters. Waren Sicherheitsleute vielleicht nur nicht ausreichend instruiert? Keineswegs: Während des Einsatzes nahm die Polizei Kontakt zum Eigentümer auf - der hat die Räumung befürwortet, so die Polizei. Werden nun alle Gebäude, die ohne Mietvertrag genutzt werden, geräumt?

Irritiert hat die Nutzer auch, dass der Investor nicht mit allen Initiativen zusammen verhandelt, sondern in Einzelgesprächen auslotet, wer welche Interessen hat, und dann einzelne Angebote unterbreitet. Sie fürchten, gegeneinander ausgespielt zu werden. Und sie wundern sich, dass ihnen derzeit nur Mietverträge bis 2012 angeboten werden. Einige fürchten, dass sie anschließend vertrieben werden sollen. Niemand will namentlich mit Kritik am Investor in der Zeitung stehen - aus Angst, später keinen Mietvertrag zu erhalten.

Bisher sind die R.E.D. Berlin Development GmbH und die dahinter stehenden Gesellschaften - darunter die isländische Firma Kapital North EHF, die für skandinavische Banken und Investoren aktiv ist - in Berlin noch nicht ins Licht der Öffentlichkeit geraten. Es gibt keine Erfahrungen mit ihr - und so hoffen Bezirk, Anwohner und Nutzer des Geländes, dass der neue Eigentümer sich wirklich als so kooperativ herausstellt, wie er sich gibt. Bürgermeister Schulz zumindest ist "insgesamt verhalten optimistisch", wie er sagt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.