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Streit in DresdenGrass unterstützt Brückengegner

Der Literaturnobelpreisträger mischt sich in den Konflikt um die Dresdener Waldschlösschenbrücke ein - und vergleicht das Projekt mit Krieg. Unterdessen werden erste Bäume gefällt.

Schaute sich kritisch die Baustelle an: Literaturnobelpreisträger Günter Grass Bild: dpa

DRESDEN taz Seit dem Baubeginn für die umstrittene Dresdner Waldschlösschenbrücke Mitte November gibt es in der Stadt nahezu täglich Aktionen gegen das monströse Bauwerk, das dem Dresdner Elbtal wahrscheinlich den Welterbetitel kosten wird. Einmal sind es nur einige Dutzend Umweltaktivisten, die sich an Bäume ketten, dann kommen zu den meist vor der Frauenkirche endenden Montagsdemonstrationen wiederum etwa 3.000 Bürger.

Am Sonntag sprach nun Literaturnobelpreisträger Günter Grass an der Baustelle zu etwa 300 Verteidigern des Weltkulturerbes. Grass hat als Erster einen Aufruf dreier Bürgerinitiativen unterzeichnet, der sich gegen den "Projektschwindel" wendet und für einen Tunnel als Alternative plädiert. Die seit mehr als hundert Jahren erwogene und immer wieder verworfene zusätzliche Elbquerung an einer landschaftlich sehr sensiblen Stelle ist faktisch bereits 1996 entschieden worden. Der damalige CDU-Wirtschaftsminister Kajo Schommer erklärte mit den Worten "Diese Brücke oder keine" ausschließlich diese Variante für förderfähig. Ein Tunnelprojekt verschwand in der Schublade. Im Februar 2005 sprachen sich in einem Bürgerentscheid zwei Drittel der abstimmenden Dresdner für das160 Millionen Euro teure Bauwerk aus.

Die Unesco, das Welterbe-Komitee der Vereinten Nationen, drohte jedoch mit einer Aberkennung des erst 2004 verliehenen Welterbetitels. Klagen verhinderten außerdem einen Baubeginn, zuletzt wegen ungenügender Berücksichtigung von Naturschutzbelangen. Die Kleine Hufeisennase, eine winzige Fledermausart, wurde zum meistgetragenen Maskottchen in Dresden. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht verwarf am 14. November jedoch im Eilverfahren den deshalb vom Dresdner Verwaltungsgericht verfügten Baustopp. In der Hauptsache steht die Entscheidung aber noch aus.

Derweil sind in den letzten beiden Wochen schon rund 20 Bäume gefällt worden. Brückengegner wie die Grüne Liga oder die Stadtratsfraktion der Grünen fürchten, dass so vollendete Tatsachen geschaffen werden. Die Junge Union hingegen bedankte sich bereits mit Kaffee und Stollen bei den Bauarbeitern. Für besondere Empörung sorgte bei den Gegnern, dass zuerst eine Allee 140-jähriger Traubeneichen für das Projekt gefällt wurde. Brückengegner bemalten sie mit dem Unesco-Logo und organisierten Sitzblockaden.

Einer der Ersten, der am vergangenen Sonnabend von der Polizei weggetragen wurde, war der sächsische "Nationaldichter" Thomas Rosenlöcher, einer der vielen Dresdner Künstler. Er holte auch Günter Grass, der zu einer Lesung in der Stadt weilt, auf die Sonntagsdemo.

Grass verglich den Brückenbau mit den Kriegszerstörungen Dresdens. Man müsse "besonders zornig sein, wie hier durch Ignoranz etwas vernichtet wird". Rosenlöcher sprach von einem "Anschlag auf Dresden und unsere Seele" und rief unter Beifall: "Wir wollen nicht mehr die blöden Ossis sein, die alles hinnehmen!" Am heutigen Montag soll eine 350-jährige Buche gefällt werden.

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4 Kommentare

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  • S
    Scheuermann

    Danke für Ihren Artikel. Erst nachdem die überregionale Presse kritisch über diese Themen berichtete, hat die lokale Presse deutlich nachgezogen.

     

    Zum demokratischen Prozess:

    1996/97 wurde ein Bürgerbegehren gegen diese Brücke, das die erforderliche Stimmenmehrheit hatte, formaljuristisch für nichtig erklärt, weil in der Fragestellung die Brücke als ?landschaftszerstörend? bezeichnet wurde. Jetzt fast 10 Jahre später bescheinigt die UNESCO, wie landschaftszerstörend diese Brücke wirklich ist. (das hat 2006 mit anderen Worten auch das Gutachten der TU Aachen bescheinigt).

     

    Nach groß angelegten Lobby- und Plakataktionen, durch parteipolitischen Druck, der alternative Standorte ausschloss und die Tunnelvariante als technisch unmöglich erklärte wurde 2005 nun ein Bürgerbegehren für die Brücke durchgeführt. In der Fragestellung fehlte ein Bezug zur landschaftlichen Besonderheit dieses Standortes und keinem Bürger wurde damals gesagt, dass damit das Welterbe gefährdet ist. Es kam eine Mehrheit für die Brücke zustande vor allem auch durch Wähler, die aus den neu eingemeindeten Randorten stammten und die zur schönen Auenlandschaft keine äußere und innere Nähe hatten.

     

    Die Vorgaben zum letzten Bürgerentscheid haben sich drastisch geändert:

    Dresden steht auf der roten Liste der UNESCO und es gibt aussagekräftige Untersuchungen zum Tunnel als Alternative, der nicht mal teurer werden würde. Außerdem reduziert nun die im Süden fertiggestellte stadtnahe Autobahn das innerstädtische Verkehrsaufkommen stark.

     

    Ich fordere neue Bürgerbegehren mit differenzierter Fragestellung zum Erhalt der Landschaft und des Welterbes, auch zum Tunnel an diesem Standort oder zur Null-Lösung d.h. kein Verkehrszug an diesem Standort. Letztere ist mein Favorit, weil ich diese einmalige Landschaft sehr schätze und weil ich davon überzeugt bin, dass ein Verkehrszug an dieser Stelle mehr Verkehr anzieht, statt zu entlasten.

     

    Wenn baulich investiert werden soll, dann in Schulen und Universitäten, die sich hier teilweise nicht mal einen neuen Anstrich leisten können.

     

    weitere Infos: www.welterbe-erhalten.de

  • G
    Göpfert

    Ich befürworte die Unterstützung von Günter Grass sich für das Dresdner Welterbe einzusetzen.

    Wie kommen Sie eigentlich auf die absurde Idee dass die 3000 Demonstranten zum Grossteil keine Dresdner sind. Das halte ich für grossen Unsinn.

    Sie scheinen Sich mit der Problematik unzureichend auseinandergesetzt zu haben oder einfach blind, ohne gross zu hinterfragen, irgendwelche Unwahrheiten der Brückenbefürworter zu glauben. Das ist in Dresden leider viel zu oft der Fall.

    Die Bürger wurden durch den Bürgerentscheid betrogen, in dem ihnen andere machbare Varianten verschwiegen wurden. Diese Lügen müssen aufhören!

  • L
    List

    Ich finde, sie durchleuchten die Sache nicht tief genug. Was ist das für eine Demokratie, in der das Abzustimmende von der Obrigkeit schon im Vorfeld zensiert wird? Es hieß m.E. nie Brücke oder Tunnel! Auch ein Weltkulturerbetitel stand nicht auf dem Spiel, als die Bürger darüber entschieden. Nun werden durch politische Willkür sonders Gleichen Tatsachen geschaffen, die von der Sache her schon Grund genug geben, dagegen in welcher Form auch immer vorzugehen. Und hierbei spielt es auch keine Rolle, wer das tut.

  • G
    Gerlach

    Was der EX SS Mann Grass hier mit Krieg und Ignoranz bezeichnet, nennt sich im Allgemeinen doch Demokratie. Denn während 3000 Leute, welche zum Grossteil nicht einmal Dresdner sind, gegen die Brücke demonstrieren, sind weiterhin mehr als 2/3 der Dresdner dafür. Und das wurde demokratisch abgestimmt.

     

    Aber einige Leute (Auch die Herren von der Presse welche ständig gegen die Brücke wettern) haben ein sehr komisches Demokratieverständnis.

     

    Ich weiß gar nicht, was es noch zu diskutieren gibt. 2/3 DAFÜR - ABGESTIMMT und BASTA -- BAUT ENDLICH DIE BRÜCKE!!!!! Sonst wird bald niemand mehr zu irgendeiner Wahl gehen!!!!