Energiekonzern plant Windpark in Toskana: Eine windige Affäre
Ein Energiekonzern will einen sechs Kilometer langen Windpark bauen. Die Anwohner protestieren gegen die Verschandelung der Landschaft. Dahinter steckt eher Eigennutz.
Im Januar dieses Jahres klingelte bei Giancarlo Felici das Telefon. Am anderen Ende bot ihm ein Unbekannter Geld für ein paar Hektar wertlosen Boden im Hinterland von Arezzo. Weshalb er das Land auf dem Berg kaufen wolle, fragte Felici. Für den Bau einer Windanlage, lautete die Antwort. "Es war reiner Zufall, niemand hätte sonst etwas von dem Projekt erfahren", sagt Felici, während er im fensterlosen Hinterzimmer seines Architekturbüros sein Argumentarium aufbaut: Skizzen, Karten und Modelle des geplanten Windparks.
Auch in Deutschland findet sich für jede Windanlage ein Gegner. Meist dann, wenn es um die Aussicht aus dem Wohnzimmerfenster, Angst vor Schattenwurf oder Ruhestörung geht.
Windkraftgegner im Kreistag: Im Landkreis Uckermark bekam die Bürgerinitiative "Rettet die Uckermark" 11 Prozent der Stimmen. Noch bis Herbst 2008 besetzt sie fünf Sitze im Kreistag mit einem einzigen Thema: dem Kampf gegen Windanlagen.
Mysteriöses Vogelsterben: Zuweilen werden Windkraftgegner kreativ: In Freiburg lagen 2005 ausgerechnet kurz vor dem Besuch von Gutachtern und Presse 30 Fledermäuse tot in der Nähe von Anlagen. So ein Zufall.
Windteufel: Baden-Württemberg ist ohnehin ein schwieriges Pflaster für Windenergie. Der ehemalige Ministerpräsident Teufel bezeichnete Windenergie als "ökonomisch zutiefst bedenklich", den Ausbau von Windkraft als "Horrorvorstellung".
Vom Fan zum Feind: Der Umweltschutzverband BUND, normalerweise eher Windkraftfan, klagte gemeinsam mit dem Nabu gegen den 2002 genehmigten Offshore-Windpark Butendiek in der Nordsee. Man fürchtete um seltene Vogelarten.
Widerstand vernetzt: Im Internet gibt es ein Forum für Windkraftgegner: Über 70 deutsche Bürgerinitiativen stellt die Plattform www.windkraftgegner.de auf ihrer Startseite vor.
Der Protest ist erfolgreich: Neue Anlagen werden meist dort gebaut, wo bereits welche stehen. Vor allem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt.
Der 70-Jährige ist außer Atem, als er ein hölzernes Windradmodell auf den Tisch wuchtet, das weiße Hemd zurück in den Hosenbund schiebt. Sein Zorn richtet sich gegen den spanischen Energiekonzern Gamesa, der ihm und anderen Landbesitzern Grund abkaufen wollte. Vor allem zürnt er den Bürgermeistern der Dörfer Tallá und Castiglion Fibocchi, die von den Plänen wussten, die Einwohner aber nicht informierten.
Deshalb hat Felici die Sache in die Hand genommen und mit Gleichgesinnten das "Komitee zum Schutz des Höhenzugs" gegründet. "Die Toskana ist eine Kulturlandschaft, die über Jahrhunderte gepflegt wurde", sagt Felici. Er tippt auf das Modell mit Windrad, Häuschen und winzigen Menschenfiguren. Auf einer Strecke von sechs Kilometern verteilt sollen sich 21 Windräder drehen, jedes neunzig Meter hoch. "So wird eine Industrielandschaft daraus gemacht. Das ist nicht mehr unsere Landschaft." Aus Felicis Komitee haben fünfzehn Leute, darunter Anwälte, Ingenieure, Architekten und Unternehmer, in den vergangenen Monaten zweitausend Unterschriften rund um Arezzo gesammelt. Felici hat recherchiert: Breite Straßen wären nötig, um die Rotorblätter und den zweiteiligen Rumpf der Windräder durch die Wälder zu transportieren. Zerstört wäre die toskanische Landschaft mit ihren kleinteiligen Äckern, Wanderpfaden und gewundenen Sträßchen. Dabei würden die Windanlagen nur anderthalb Prozent des Strombedarfs der Provinz Arezzo decken. "Das ist viel zu wenig für den Preis, den wir zahlen", schimpft der Architekt. Windanlagen haben eine Lebensdauer von 25 Jahren, dann ist die Technik veraltet, das Material porös. "Wer baut das dann ab?" Dabei hat sich der Energiekonzern eine dünn besiedelte Ecke der Toskana ausgesucht. In Tallá und Castiglion Fibocchi leben gerade mal zweitausend Einwohner. Sie wären nicht die einzigen betroffenen Gemeinden im Land. Sechs Windparks hat Gamesa bereits in Italien errichtet, noch einmal so viele bekamen im laufenden Jahr eine Baugenehmigung. In Italien ist Windkraft momentan profitabel. 18 Cent bekommt man dort für eine Kilowattstunde, in Deutschland sind es nur 8. Nachdem der Konzern Mitte der Neunzigerjahre begonnen hatte, die wüstenähnliche Hochebene Meseta in Spanien mit Windanlagen zuzupflastern, baut er seit 2003 Windparks in den USA und in Europa. Dreizehn davon in Deutschland.
"Das Komitee ist nicht gegen regenerative Energien, ganz im Gegenteil" beteuert Felici und bringt eine Alternative zur Windkraft ins Spiel: "Wir wollen eine Biomasseanlage bauen" erklärt er. Die soll mit Getreide, Sonnenblumen und Mais gefüttert werden und Energie liefern, ohne den Berg zu verschandeln. "Eine Reihe Unternehmer aus der Gegend hat bereits Gelder zugesagt." Im Sommer hat das Komitee beim Regionalrat Einspruch gegen den Windpark eingelegt. Jetzt ist Gamesa am Zug und muss detaillierte Baupläne vorlegen. Daraufhin wird das Komitee seine Unterlagen und das Modell präsentieren. Felici weiß nicht, wann Gamesa reagieren wird. "Aber wir haben unsere Informanten", sagt der Alte und kneift die Augen zusammen. "Nein, nicht die Mafia, Freunde."
Der Deutschschweizer Roland Lappert sitzt auf der Terrasse seines Hauses, dreihundert Meter von einer der geplanten Anlagen entfernt. Das Anwesen steht zwischen Zypressen und Kastanien an einer Straße, die sich steil den Berg hinaufwindet. "Mein Ausblick ist unverbaubar", stellt Lappert zufrieden fest. Allerdings könnte ihm die Windanlage in die Quere kommen. Lappert ist ein Hüne mit weißem, ungebändigtem Haar. Gerade ist er von einem Ausflug in den Schwarzwald zurückgekehrt, wo er sich Windanlagen angesehen hat. "Optisch nicht schön", sagt er. Aber er will nicht falsch verstanden werden. "Ich hatte immer das Gefühl, dass Windkraft besser ist als Atomkraft." Morgen wird er sich wieder auf sein Motorrad schwingen und einhundert Kilometer zum nächsten Windpark fahren. Dort stehen Anlagen, baugleich mit denen, die vor seiner Haustür geplant sind. "Ich muss hören, ob die wirklich geräuschlos sind, wie Gamesa behauptet." Die Windkraft ist eine Bedrohung für seinen Lebenstraum: er, der Berg und sonst niemand. Darum tauchte er bei zwei öffentlichen Versammlungen des Komitees auf, redete mit den Leuten und rechnete nach. Seither fürchtet Lappert um den Berg. "Damit die Schwertransporter wenden könnten, müssten sie die Straße verbreitern und dafür die Hügel mit Erde auffüllen. Es wäre Wahnsinn, für so wenig Strom die Gegend zu verwüsten."
Während deutsche Umweltverbände regenerative Energie meist befürworten, urteilen die Italiener ähnlich wie er: Windanlagen sind willkommen, solange die Interessen von Tourismus und Wirtschaft nicht betroffen sind. Also nicht gerade in der Toskana. Lieber irgendwo, wo sie nicht stören, in Süditalien oder Sizilien. Lappert sieht eine Chance, dass der Windpark doch nicht gebaut wird. Denn Gamesa hüllt sich seit dem Einspruch des Komitees in Schweigen. "Wir haben jetzt vier Monate nichts von denen gehört, wahrscheinlich bauen sie die Anlagen dort, wo sie nicht so viel Protest bekommen." Gamesa hat es in der Toskana nicht leicht. Ein Landbesitzer ist gegen einen Windpark in Scansano, nicht weit von Arezzo, vor Gericht gezogen. Es kursieren Gerüchte, dass die Anlagen nun wieder abgebaut werden müssen. Es beginnt zu nieseln, Lappert fröstelt und verschränkt die Arme vor der Brust. "Die im Komitee geben nicht zu, dass sie eigene Interessen haben", sagt er. Das halbe Bundesland sei im Privatbesitz von Architekt Felici, darunter viele Hektar ungenutzte Flächen. "Er will eine Biomasseanlage bauen und die EU-Subventionen für regenerative Energien selber einstreichen. Das ist ja in Ordnung, aber er sollte es offen sagen. Sonst wird das Komitee unglaubwürdig." Trotz der Sorge um seine Ruhe und den Berg gibt sich Lappert entspannt. Er lacht, als er sagt: "Ich glaube nicht, dass sie die Anlagen bauen. Und selbst wenn, es wird meine Existenz nicht ins Loch schmeißen."
Verschwörungstheorien
Einer, der um seine Existenz bangt, ist der Pizzabäcker Simone Gianerini, 36 Jahre alt und Wirt des Restaurants "La Crocina", gelegen an einer Gabelung zweier einsamer Bergstraßen. Ein Holzbackofen, weiße Tischdecken an langen Tafeln, Wein- und Wassergläser, an der Wand ein Wildschweinfell. Er habe sich schon lange über Windmessungen auf seinem Gelände gewundert, sagt er. Verbreiterte Straßen, monatelange Bauarbeiten, zerstörte Naturidylle und in Zukunft der unruhig wandernde Schattenwurf der Windanlagen über seinem Restaurant, Gianerini sieht dunkle Zeiten auf sich zukommen. Er ist einfach empört über seinen Bürgermeister. "Ich traf ihn am Morgen vor einer Versammlung des Komitees in der Bar und fragte ihn, ob er kommen würde. Er sagte: 'Nein. Was interessiert mich das?' Aber wen sollte es interessieren, wenn nicht den Bürgermeister?"
Gianerini vermutet eine politische Verschwörung, glaubt, dass der Bürgermeister bestochen wurde. "Sie bauen auf jeden Fall die Anlagen. Vielleicht werden statt 21 Windrädern nur 5 gebaut. Die müssen sie aber bauen, um zu bezahlen, wen sie geschmiert haben. Das ist Italien", sagt er und zuckt die Schultern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!