Die letzten Stunden auf Bali: Buhrufe, Tränen, Jubel

Laute Vorwürfe und tränenreiche Abgänge dominierten den Klimagipfel am Ende. Die Chronologie der Schlussrunde einer Konferenz, die die Welt retten wollte.

Klimasekretariatschef de Boer (re) bricht in Tränen aus, UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon (Mitte) schaut tatenlos zu. Bild: dpa

NUSA DUA taz Freitag, 21.00 Uhr, UN-Klimakonferenz auf Bali: Eine Gruppe von 40 Ministern, ausgewählt nach einem komplizierten Schlüssel, verhandelt den Abschluss-Text im kleinen Kreis. Ursprünglich sollte die Konferenz schon vor drei Stunden beendet sein. Es gibt noch große Differenzen.

23 Uhr: Das Klimasekretariat gibt bekannt, dass UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Morgen erneut die Klimakonferenz besuchen wird. "Wir dürfen nichts unversucht lassen, um ein Scheitern zu verhindern", begründet dies ein hochrangiger UN-Beamter. Ban Ki Moon werde sich persönlich in die Verhandlungen einschalten.

Samstag, 1 Uhr: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verlässt einen Verhandlungsraum. Seine Miene verrät nichts Gutes. Gabriel berät sich mit ein paar Leuten. Auch NGOler sind dabei. Aus Verhandlungskreisen heißt es, die Gespräche stünden direkt vor dem Abbruch. Der Konflikt zwischen den USA und den G 77 - der Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer wie China und Indien - spitzt sich immer mehr zu. Die USA wollen ein konkretes Reduktionsziel im Text nur akzeptieren, wenn in diesem auch Reduktionsverpflichtungen für die G-77-Länder festgeschrieben werden.

2.20 Uhr: Gabriel verlässt den Raum: "Es gibt einen Kompromiss", sagt der Minister. Zwar stehen nicht mehr die von der EU geforderten 25 bis 40 Prozent Reduktionspflicht im Papier. Dafür aber eine Fußnote, die auf die alarmierenden Erkenntnisse des Weltklimarats (IPCC) verweist. Indien habe akzeptiert, dass auch Entwicklungsländer Reduktionsmühen auf sich nehmen müssen. Der Entwurf soll am Morgen im Plenum eingebracht werden.

8.10 Uhr: Konferenzpräsident Rachmat Witoelar eröffnet das Plenum und stellt den Kompromiss vor. Anders als nach Mitternacht sind Indien und China nun nicht mehr bereit, Hinweise auf eigene Reduktionsanstrengungen zu akzeptieren. Verhandlungskreise weisen aber darauf hin, dass dies Ergebnis von "Druck aus der G 77" sei. Dass dies stimmen könnte, belegt der nächste Akt: Die G 77 lassen die Verhandlungen unterbrechen, um sich zu beraten.

9.40 Uhr: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist nach Bali gereist, um sich direkt einzuschalten.

11.10 Uhr: Konferenzpräsident Rachmat Witoelar bittet die Delegierten ins Plenum, um die Sitzung erneut zu eröffnen. Als einer der ersten Redner kommt die chinesische Delegation zu Wort. "Es kann doch nicht sein, dass hier weiterverhandelt werden soll, während sich die G 77 noch berät", sagt der Chinese in einem ungewöhnlich echauffierten Ton. Er frage sich, ob das Klimasekretariat tatsächlich unparteiisch sei. Wenn ja, sei eine Entschuldigung angebracht. Daraufhin unterbricht Rachmat Witoelar die Konferenz erneut.

13.15 Uhr: Wieder eröffnet Witoelar das Plenum. Diesmal erteilt er dem indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono, der eiligst eingeflogen ist, das Wort: "Wir haben hier so viel investiert auf dieser Konferenz. Wir haben so viel erreicht. Wir hatten so viele Vorabsprachen im Gepäck. Die Welt schaut auf uns. Wir müssen die Bali-Roadmap jetzt verabschieden. Ohne sie werden wir unser Ziel nicht erreichen: die Welt vor einer Katastrophe zu retten." Einen ähnlichen Appell hält UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

13.30 Uhr: Das Wort wird Yvo de Boer, dem Chef des Klimasekretariates, erteilt. Der völlig fertige Mann versucht, zu den Angriffen auf das Klimasekretariat Stellung zu nehmen. Das gelingt ihm nicht, er bricht in Tränen aus, steht kurz vor einem Zusammenbruch und wird aus dem Tagungsraum geleitet. Eigentlich müsste nach den Statuten die Konferenz jetzt unterbrochen werden. Konferenzpräsident Witoelar macht aber einfach weiter.

13.50 Uhr: Saudi-Arabien erklärt, nur zustimmen zu können, wenn der Text nicht verändert wird. Daraufhin erklären die USA, den von der G 77 vorgeschlagenen Änderungen nicht zustimmen zu können. Das ganze Plenum buht nach dem Statement von US-Delegationsleiterin Paula Dobriansky.

13.55 Uhr: Südafrika erklärt, dass das nicht kooperative Verhalten der USA "absolut unerwünscht ist in diesem Raum". Minutenlanger Beifall. Bangladesch, Costa Rica, Pakistan, Niger folgen mit ähnlichen Positionen. Selbst das Statement Japans ist überraschend distanziert.

14.20 Uhr: Nachdem weitere Delegationen von den USA einen Kompromiss fordern, ergreift US-Delegationsleiterin Paula Dobriansky erneut das Wort: "Wir sind nach Bali gekommen, um einen Prozess erfolgreich zu starten. In diesem Interesse ziehen wir unsere Einwände zurück." Der ganze Saal bricht in Jubel aus.

17.30 Uhr: Zwar haben die USA eingelenkt. Aber jetzt droht die Ukraine an einem ganz anderen Punkt - dem Anpassungsfonds - mit einem Veto. Und da alle Beschlüsse einstimmig gefällt werden müssen, droht das gesamte Kompromiss-Konstrukt zu scheitern. Das Klimasekretariat sucht hektisch nach einer Möglichkeit, die Ukrainer zu besänftigen. Die Lösung: Die Ukrainer geben ihre Bedenken in einer diplomatischen Note zu Protokoll. Und stimmen trotzdem zu.

18 Uhr: Umweltschützer entrollen 24 Stunden nach geplantem Ende vor dem Konferenzgebäude ein riesiges Plakat mit einer Welt darauf. Ein Aktivist hält eine Rede: "Wir haben die letzten zwei Wochen gesehen: Die Öffentlichkeit der Welt vermag es, Druck auf ihre Regierungen zu machen. Wir haben es geschafft!" Aber so weit ist es noch nicht: Im Plenum laufen nun die Abstimmungen über die Papiere.

18.15 Uhr: Ein spannender Moment: Russland meldet sich zu Wort. Auf fast jeder Klimakonferenz hatten die Russen kurz vor Toresschluss mit neuen Anträgen für Verwirrung und eine Gefährdung des austarierten Kompromisses gesorgt. Diesmal sagt der Delegationsleiter: "Vor uns liegt sehr viel Arbeit."

18.30 Uhr: Es ist geschafft: Alle Papiere sind von der Konferenz angenommen. Konferenzpräsident Rachmat Witoelar schließt das Plenum mit mehr als 24-stündiger Verspätung.

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