Neue Gesprächigkeit: WAZ wird öffentlich
Nach Jahrzehnten der Geheimniskrämerei will der Medienkonzern künftig transparenter arbeiten - und hat jetzt sogar einen Unternehmenssprecher.
Schon als Kind habe er dort gespielt, sagt Stephan Holthoff-Pförtner und deutet nach draußen, ins Ruhrtal. Und heute? Gehört ihm das Restaurant über dem Baldeneysee. Er hat es Jagdhaus Schellenberg genannt und einen Wintergarten angedockt.
Dort sitzt Holthoff-Pförtner am Freitagmittag. Man kennt ihn. Als Anwalt von Helmut Kohl. Und als Vertreter des Funke-Stamms, einer der beiden Eignerfamilien der Essener WAZ-Mediengruppe. Als solcher ist er heute hier. Für die andere Seite, die Brost-Gruppe, ist Exkanzleramtsminister und WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach gekommen. Der Anlass: Pressekonferenz. Oder besser: Transparenzkonferenz. Denn die WAZ, also Hombach, redet heute über Pläne - und gelobt, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Eine kleine Sensation.
Bisher waren die Verhältnisse bei der WAZ so übersichtlich wie die verschachtelten Büroklötze, in denen der Konzern residiert. Bis vor einigen Monaten hatte Deutschlands zweitgrößtes Verlagshaus nicht mal einen Unternehmenssprecher, und die Führungsstruktur zeichnete sich vor allem durch den Dauerzwist der Eignerfamilien aus. Doch damit soll laut Hombach nun Schluss sein. Die internen Querelen seien Vergangenheit, sagt er. Man wolle sich öffnen und zeigen, dass man gemeinsam Ziele verfolge. Und diese Ziele sind: wachsen, wachsen, wachsen - in alle Richtungen.
"Unser Kerngeschäft ist der Journalismus", sagt Hombach, "auf welchen Wegen die Menschen ihn abrufen wollen, ist uns egal." Deshalb will sich die WAZ nicht auf ein Medium konzentrieren, sondern Fernsehen, Online und Print gleichermaßen bedienen. Ab Januar installiert der Verlag dazu eine zweite Geschäftsleitungsebene unterhalb der Geschäftsführung. Neun Manager sind dann für die verschienenen Zweige zuständig. Gregor Stemmle etwa, der von Springer zur WAZ kommt, wird mit Norbert Schmid die ebenfalls neu geschaffene Verlagskoordination NRW leiten. Wann, wie unlängst angekündigt, Christian Nienhaus von Springer zur WAZ wechselt, um neben Hombach zweiter Geschäftsführer zu werden, ist dagegen noch unklar. Man erwarte ihn nicht vor Mitte 2008, sagt Hombach. Auch unklar sind seine Aufgaben. Dass der 47 Jahre alte Vater der "Bild-Bibel" auch bei der WAZ das Nebengeschäft ankurbeln soll, will Hombach jedenfalls nicht bestätigen.
Das Hauptaugenmerk liegt anderswo: im Ausland. Dort besitzt die WAZ schon etliche Zeitungen, vor allem in Osteuropa. Und die Shoppingtour geht weiter: Im Ausland, sagt Hombach, könne man "erheblichen Mehrwert" schaffen. Dort liege das größte Wachstumspotenzial. Deshalb interessiert sich die WAZ neuerdings neben Russland, wo unter anderem mit Gazprom an einer TV-Zeitschrift gearbeitet wird, auch für den vietnamesischen und ukrainischen Zeitungsmarkt. Da es in der Ukraine Probleme mit dem Verteilersystem gebe, sei man gerade dabei, Kioske zu kaufen: "Den im Parlament haben wir schon", sagt Hombach und grinst.
Die WAZ hat also große Pläne - auch in Deutschland. Man will weiter expandieren und nebenbei "Einkauf aktuell", die Werbeprospekt-Offensive der Deutschen Post, attackieren. Doch bei aller neuen Gesprächigkeit - in seine Finanzen hat sich das Medienhaus noch immer nicht blicken lassen. Die Transparenzkonferenz will Hombach jetzt jedes Jahr vor Weihnachten machen. "Und vielleicht machen wir auch mal eine Bilanz", sagt er. Was er schon einmal versprochen hat. Dem Spiegel sagte er: "Wenn es das Unternehmen voranbringt, bin ich auch für eine Bilanzpressekonferenz zu haben." Das ist fast vier Jahre her.
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