Berlin-Brandenburg: Märker werden sitzen gelassen

Der neue Landesentwicklungsplan für Berlin und Brandenburg setzt auf die Hauptstadtregion. Viele Brandenburger Städte fürchten, abgehängt zu werden.

Eigentlich ist Peter Ilk ein zurückhaltender Mensch. Geht es jedoch um den Entwurf des Landesentwicklungsplans Berlin-Brandenburg (LEP B-B), macht der Bürgermeister von Baruth/Mark seinem Ärger freien Lauf. "Wir sind eine erfolgreiche Kleinstadt. Als Holzkompetenzzentrum haben wir Arbeitsplätze dazugewonnen. Nun sollen wir unseren Status als Grundzentrum verlieren. Alles Geld für Infrastruktur würde dann nach Zossen fließen."

Mit seinem Ärger steht Ilk nicht allein. Bislang gibt es in Brandenburg 152 so genannte "zentrale Orte". Dazu gehören die vier Oberzentren Potsdam, Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und Cottbus mit ihren Hochschulstandorten. Dazu kommen 27 Mittelzentren wie Zossen, Eberswalde und andere Städte, in denen es Krankenhäuser, weiterführende Schulen, großflächigen Einzelhandel und Facharztpraxen gibt.

Selten waren sich Berlin und Brandenburg so einig. Seitdem Brandenburg Abschied genommen hat vom Leitbild der dezentralen Konzentration und Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die Parole "Stärken stärken" ausgegeben hat, verdient die gemeinsame Landesplanungsabteilung beider Länder ihren Namen. Ein erster Entwurf eines gemeinsamen Landesentwicklungsplans liegt vor. Bis zum 15. Januar dürfen die Betroffenen ihre Stellungnahmen abgeben. Mitte des Jahres soll dann ein Staatsvertrag unterzeichnet werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Konzentration von Infrastrukturgeldern auf Berlin und sein Umland sowie die wenigen Ober- und Mittelzentren in Brandenburg.

Unzufrieden mit dem Plan sind aber nicht nur jene Städte und Gemeinden im ländlichen Raum, die künftig keine Gelder mehr für Schulen oder Altenheime bekommen.

Auch die Berliner Grünen protestieren. Für die nächsten zehn Jahre würden damit in der Raumentwicklung der Länder "die Weichen in eine fatale Richtung gelenkt", sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig. Anstatt im LEP weiter das Ziel einer "dezentralen Konzentration" und die städtische Verdichtung in Berlin vor der Umlandbebauung zu verfolgen, ordne sich Berlin den brandenburgischen "Wachstumsfantasien" unter. "Das geht in die völlig falsche Richtung."

Tatsächlich beinhaltet die Konzentration auf die Metropole und die berlinnahen Regionen auch die Möglichkeit, neue Gewerbegebiete und Wohnstandorte auszuweisen. Dies aber soll, so der Leiter der "Gemeinsamen Landesplanung", Gerhard Steintjes, entlang den vorhandenen Verkehrsachsen der S-Bahn konzentriert werden. Dadurch sollen auch die Grünzüge, die wie der Naturpark Barnim weit in die Stadt reichen, gesichert werden. Auch riesige Gewerbeparks wie Dallgow westlich von Spandau oder das Outlet-Center in Wustermark sollen künftig nicht mehr möglich sein.

Den Grünen geht das aber nicht weit genug. Als Konsequenz aus dem möglichen Siedlungsbrei und größeren Gewerbeparks hinter der Stadtgrenze sieht die Grünen-Politikerin, dass damit wieder "mehr Autoverkehr vorprogrammiert ist". Was die Fraktionschefin zusätzlich ärgert, ist, dass es keine öffentliche Debatte gibt wie um den Berliner Flächennutzungsplan in den 90er-Jahren. "Das ist aber dringend nötig angesichts der Perspektiven, die ein solcher LEP mit sich bringt."

Die unterste Ebene bilden bislang 115 Grund- und Kleinzentren, die vom Land Geld für die Sekundarstufe eins oder Altenheime bekommen. Im Entwurf des neuen LEP B-B sind diese Grundzentren gestrichen. Im Zuge einer gemeinsamen Landesplanung haben sich Brandenburg und Berlin darauf geeinigt, künftig nur noch "Stärken zu stärken". Geld für Infrastruktur gibt es demnach nur noch für die Hauptstadtregion, die vier Oberzentren sowie künftig 47 Mittelzentren.

Für Peter Ilk und seine erfolgreiche Kleinstadt Baruth mit ihren 4.500 Einwohnern wäre das das Aus. "Wir brauchen dringend eine neue Zufahrt zum Gewerbegebiet und ein neues Umspannwerk, weil das alte keinen zusätzlichen Strom mehr liefern kann."

Ohne den Status als Grundzentrum aber ist Baruth nicht mehr förderfähig. "Und alleine", sagt Ilk, "können wir die 40 Millionen nicht stemmen." Aus diesem Grunde hat Ilk am vergangenen Donnerstag seine Bürgermeisterkollegen aus den anderen Grundzentren ins Baruther Rathaus geladen. Gemeinsam wollten sie beraten, welche Möglichkeiten des Widerstands es gegen diesen "Rückzugsplan ohne gestalterische Visionen" gibt.

Einer, der auf der Seite der Kommunen steht, ist Karl-Ludwig Böttcher. Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg fürchtet, dass eine Konzentration auf wenige Mittelzentren zu "weißen Flecken auf der Landkarte Brandenburgs" führt. Für die Menschen in den ländlichen Regionen werde es weitere Wege zum nächsten Facharzt oder zur nächsten Oberschule geben.

"Dabei sind es die Mittelzentren, die teilweise den größten Bevölkerungsschwund haben", schimpft Böttcher. Einen offenen Brief an die Landesregierung und den Senat, den sein Verband bereits im Sommer veröffentlichte, haben inzwischen Vertreter von 170 Städten und Gemeinden unterschrieben.

Einer von ihnen ist Wilhelm Garn, der Bürgermeister von Brieselang westlich von Berlin. "Wir haben 3.500 Arbeitsplätze, prosperieren, und nun sollen wir kein Grundzentrum mehr sein." Alle Infrastrukturgelder für Brieselang sollen in Zukunft ins Mittelzentrum Falkensee. "Doch Falkensee", sagt Garn, "hat überhaupt keine Funktion für uns, es ist eine reine Schlafstadt."

Auf der Protestveranstaltung in Baruth rät der Städte- und Gemeindebund, den LEP B-B abzulehnen. "Natürlich muss es eine Reform der Landesplanung geben", sagt Böttcher zur Begründung, "aber die darf nicht dazu führen, dass weite Teile des Landes abgehängt werden." Jeder der betroffenen Städte und Gemeinden rät Böttcher deshalb, einen Einspruch zu formulieren. "Wenn das über 100 Gemeinden tun, dann wird es schwierig für die beiden Länder, das politisch durchzusetzen."

Kämpferisch gibt sich auch Peter Ilk. Dass über 50 Bürgermeister in der Vorweihnachtszeit zum Protest nach Baruth gekommen sind, hat er nicht erwartet. Sein Protestschreiben hat er schon im Kopf. Darin wird auch stehen, dass bald die letzte Grundschule in Baruth schließen muss. Damit entfällt auch das Geld für den Schülerbus. Die Fahrtkosten zur freien Schule, die sich in Baruth gegründet hat, will das Land künftig nicht mehr übernehmen.

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