FBI ermittelt in Spionagefall: Der Geldkoffer von Buenos Aires

800.000 US-Dollar in bar werden in einem Koffer gefunden - Absender und Adressat sind unklar. Die USA verdächtigen Lateinamerkas Linke. Ein Krimi mit unbekannter Regie.

Wirft den USA eine Dreckskampagne vor: Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner Bild: dpa

BUENOS AIRES taz Ein Spionagekrimi im Dreieck Buenos Aires-Caracas-Miami sorgt für Spannung. Hat ein venezolanischer Präsident den Wahlkampf eines argentinischen Präsidentschaftskandidaten oder gar der später siegreichen Kandidatin geschmiert? Führt der US-Geheimdienst CIA die Regie in der Geschichte aus Verhaftungen, Veröffentlichungen, Verneblungen? Das FBI ermittelt.

Rückblende: Am 4. August fliegt der in Miami ansässige US-Venezolaner Guido Antonini Wilson mit einer Chartermaschine von Venezuelas Hauptstadt Caracas in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires. Gechartert ist die kleine Maschine von der staatlichen argentinischen Erdölfirma Enarsa. Mit an Bord sind Mitarbeiter der Energía Argentina SA (Enarsa) und des staatlichen venezolanischen Ölriesen PdVSA. Die gute Zusammenarbeit zwischen beiden Firmen ist kein Geheimnis. Unklar ist, wie gut geschmiert die Geschäfte zwischen den beiden Ölfirmen laufen.

In seinem Handgepäck führt Wilson einen Koffer mit sich, in dem die Zollbeamten später durch Zufall 800.000 US-Dollar finden. Beträge über 10.000 US-Dollar müssen bei der Einfuhr angemeldet werden. Im Stadtflughafen von Buenos Aires angekommen, weigert sich Wilson, beim Zoll den Koffer zu öffnen. Die Beamten reagieren mit Nachdruck, finden die Dollarnoten, Wilson überlässt Koffer samt Inhalt den Beamten und fliegt wenige Tage später unbehelligt von Buenos Aires nach Miami. Niemand will das Geld haben.

Zwischenblende: Zeitlich fällt das Ereignis in den argentinischen Präsidentschaftswahlkampf und findet just wenige Stunden vor dem Besuch des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez in Argentinien statt. Die Spekulationen über den Geld-Adressaten schießen ins Kraut. Ein höherer Beamter der Enarsa muss später seinen Hut nehmen. Er kann nicht plausibel machen, warum Antonini Wilson mit in der Maschine saß. Der Beamte war die direkte Verbindung des argentinischen Planungsministers Julio De Vido zu den Ölgeschäften mit der venezolanischen PdVSA.

Auch in Venezuela schlagen die Wellen kurzzeitig hoch. Die venezolanische Zeitung El Universal berichtet, Julio De Vido wurde beim Abendessen mit den inzwischen festgenommenen Moisés Maionica in Caracas gesehen. Der Vizechef und Präsident der argentinischen Filiale der staatlichen PdVSA wird aus dem Amt entfernt. Dummerweise hatte sein Sohn mit in dem Flieger gesessen und Guido Antonini Wilson und dem Geldkoffer am Flughafen bis zuletzt Beistand geleistet. Inzwischen wird auch er von den argentinischen Behörden gesucht und soll die Frage beantworten, ob der Koffer auch wirklich Antonini Wilson gehörte.

Ansonsten ist wenig Licht und viel Dunkel, die Geschichte zerrinnt im Sande. In Argentinien gewinnt Cristina Kirchner die Präsidentschaftswahl.

10. Dezember, Buenos Aires. Die neue Präsidentin Cristina Kirchner wird in ihr Amt eingeführt. 11. Dezember, Miami. Das FBI verhaftet die Venezolaner Carlos Kauffman, Moisés Maionica, Franklin Durán und den Uruguayer Rodolfo Wanseele Pacielo. Ein Fünfter, ebenfalls Venezolaner, ist flüchtig. Den Verhafteten wird vorgeworfen, als "verdeckte Agenten" eines ausländischen Geheimdienstes in den USA tätig gewesen zu sein, ohne Genehmigung der US-Behörden. Ihr Auftrag sei gewesen, für zwei Millionen Dollar das Schweigen von Guido Antonini Wilson über das Woher und Wohin von 800.000 Dollar zu kaufen, die er am 4. August 2007 am Flughafen in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires bei sich hatte. Wilson hat die Treffen mit den mutmaßlichen Agenten auf Band aufgezeichnet.

Ein US-Bundesstaatsanwalt hatte erklärt, das FBI verfüge über die Ton-Aufzeichnungen, die nicht nur belegen würden, dass die 800.000 Dollar als eine venezolanische Wahlhilfe für einen argentinischen Präsidentschaftskandidaten bestimmt waren, sondern auch, dass das Schweigeangebot über zwei Millionen Dollar aus höchsten venezolanischen Regierungskreisen stamme. Die Beweise sollen in den nächsten Tagen präsentiert werden. Dann wird auch entschieden werden, ob es Mitte März zu einer Prozesseröffnung kommt. Im Falle einer Verurteilung drohen den Beschuldigten 10 Jahre Haft und 250.000 Dollar Geldstrafe. Die vier Verhafteten beteuern in den Vorermittlungen ihre Unschuld und bleiben in Haft.

Cristina Kirchner sieht alle Pfeile auf sich gerichtet und wirft den US-Behörden eine "Dreckskampagne" vor, die nur dazu diene, einen Keil zwischen Argentinien und Venezuela zu treiben. In der Presse lässt die Regierung von einer geheimen CIA-Aktion gegen Argentinien und Venezuela spekulieren. US-Botschafter Earl Anthony Wayne wird mediengerecht ins argentinische Außenministerium zitiert und erhält eine satte Protestnote.

Argentinien beantragt offiziell die Auslieferung von Guido Antonini Wilson. Inzwischen sickert durch, dass Wilson nach seiner Ankunft im August im Präsidentenpalast gesehen worden ist. Das FBI teilt mit, dass Antonini Wilson "kooperiere" und dies auch im Fall der vier Verhafteten tue. In Buenos Aires schlagzeilt die Presse: Ein Torpedo aus Miami direkt in die Casa Rosada.

Noch kein Showdown. Die neue Präsidentin Cristina Kirchner wollte ursprünglich auf mehr Distanz zu Hugo Chávez gehen, zumindest auf der politischen Ebene. Finanziell hat sich Argentinien in der Amtszeit ihres Mannes mit über 5 Milliarden US-Dollar beim reichen Ölnachbarn verschuldet. Gleichzeitig wollte sie in den Beziehungen zu den USA eine Annäherung erreichen.

Kaum ließ das FBI die Katze aber aus dem Sack, machte Cristina Kirchner eine Kehrwende. Jetzt sind Argentinien und Venezuela noch näher zusammengerückt und das Verhältnis zu den USA ist zumindest für den Rest der Bush-Ära endgültig zerrüttet. Ob und in welcher Form die US-Regierung tatsächlich ihre Finger im Spiel hat, ist unklar. Sie kann sich jedenfalls ruhig zurücklehnen und genüsslich den weiteren Fortgang der juristischen und FBI-Ermittlungen zusehen. JÜRGEN VOGT

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