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Riester-Rente im VertrauenstiefWer spart, verliert

Wer als Geringverdiener jahrelang "riestert", hat später womöglich gar nichts davon. Diese Neuigkeit sorgt für Unruhe. Und die Frage: Wozu sparen?

Kein Grund zum Grinsen: Deutschland in der Rentenkrise. Bild: dpa

Walter Riester ist einer der wenigen Politiker, deren Name in die Alltagssprache eingegangen ist. Die Riester-Rente. Ein persönliches Glück, denn die Erinnerung an ihn lebt fort. Aber auch ein tägliches Risiko - der Name könnte seinen Ruf verlieren. Das befürchtete der ehemalige Arbeitsminister der SPD am Freitag: "Das ist eine Katastrophe, eine gnadenlose Verunsicherung." Was war passiert? Das ARD-Politikmagazin "Monitor" hatte am Donnerstagabend eine weithin unbekannte Tatsache erläutert (siehe Kasten): Wer jahrelang für die Riester-Rente spart, hat später vielleicht gar nichts von ihr.

DIE RECHNUNG

Wer als Alleinstehender ein Durchschnittsgehalt von derzeit 1.500 Euro netto erhält und 32 Jahre lang in die Rentenkasse einzahlt, bekommt im Jahr 2030 voraussichtlich eine gesetzliche Rente heraus, die nicht mal das Niveau der Grundsicherung im Alter erreicht, die derzeit 680 Euro (inklusive Miete) beträgt. Das ergibt sich aus Zahlen des ARD-Magazins Monitor, das sich auf Berechnungen eines regionalen Rententrägers beruft. Der Sozialverband Deutschland hat zuletzt eine ähnliche Rechnung aufgestellt und kam auf 37 Jahre, die ein Durchschnittsverdienender Beiträge zahlen muss, um eine Rente knapp über Armutsniveau zu erreichen. Wer noch weniger verdient, für den sieht die gesetzliche Rente am Ende noch düsterer aus. Liegt die gesetzliche Rente aber unter dem Existenzminimum, stockt der Staat bisher auf das Niveau der Grundsicherung im Alter auf. Doch diese Aufstockung, also diese Sozialhilfe im Alter, wird nur gewährt, wenn vorher fast das gesamte eigene Vermögen, darunter auch die Riester-Ersparnisse, aufgebraucht ist. Dies kann dazu führen, dass ein Geringverdienender, der einen Riester-Vertrag abgeschlossen hat, im Alter auch nur 680 Euro (in heutiger Kaufkraft) zum Leben hat, genauso viel wie ein Langzeitarbeitsloser oder ein Kleinrentner, der nie privat vorgesorgt hat oder im Extremfall sogar nichts in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Denn die Riester-Rente wird bei Hartz-IV-Empfängern zwar nicht angetastet, die Ersparnisse werden aber später als Einkommen zur Kleinrente addiert und der Anspruch auf staatliche Unterstützung damit verwirkt.

Gestern herrschte also einige Aufregung. Viele Politiker mussten sich äußern. Denn die "Monitor"-Nachricht scheint ein großes Versprechen als Humbug zu entlarven. Hatte uns Walter Riester nicht gesagt, dass unsere gesetzliche Rente zwar sinkt, weil weniger Junge mehr Alte finanzieren müssen, wir später aber mit Hilfe der zusätzlichen privaten Vorsorge, eben der Riester-Rente, unseren Lebensstandard halten können? War das nur ein Missverständnis, oder hat man uns etwas vorgemacht?

Tatsache ist: Für manche Beschäftigte, die jahrzehntelang wenig verdient haben, wird die Riester-Rente keine zusätzliche Absicherung bedeuten. In solchen Fällen wird sie mit der Grundsicherung verrechnet. So sieht einfach die Gesetzeslage aus. Außer den Fachleuten hat diese bislang freilich die wenigsten interessiert. Millionen anderer Arbeitnehmer werden aber durchaus profitieren. Sie müssen keine öffentliche Hilfe beantragen und bekommen die normale Rente plus Riester. Wer zur Mehrheit, wer zur Minderheit gehören wird, lässt sich heute allerdings kaum vorhersagen.

Denn das System beruht auf Hoffnung, sein Funktionieren hängt auch vom Verhalten der Menschen ab. Klotzen alle bis zum Alter von 67 oder 70 ordentlich ran und hält sich die Arbeitslosenrate in Grenzen, bekommen die meisten eine erträgliche Rente. Der SPD, aber auch der Union ist deshalb daran gelegen, Optimismus zu verbreiten. Stefan Giffeler, der Sprecher von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD), sagte, die Argumentation von "Monitor", Geringverdienende könnten statt auf Riester gleich auf die Grundsicherung setzen, sei zynisch. Mit dieser Einstellung könnte man sofort aufhören, zu sparen und zu arbeiten - und sich ganz auf den Staat verlassen. Elke Ferner, Vizefraktionschefin der SPD, erklärte: "Die Rechtslage ist in Ordnung."

Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Wirtschaft und Berater der Bundesregierung, sieht das anders. Wer 35 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweise, solle in jedem Fall die Grundrente von 660 Euro plus seiner vollen Riester-Ansprüche erhalten. Sonst gebe es für Geringverdienende keinerlei Anreize zur Eigenvorsorge, so Rürup.

Die Grünen teilen Rürups Position. "Die Regierung untergräbt die Attraktivität der Riester-Rente", sagte die grüne Fraktionsvize Christine Scheel. Auch die Linke und das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisierten die Bundesregierung und forderten, die Anrechnung abzuschaffen.

Mit dem "Monitor"-Bericht und den Reaktionen darauf steht nun auch die Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen wieder auf der Tagesordnung. Denn die garantierte Mindestrente, die zusätzlich zu etwaigen Riester-Euros ungeschmälert ausgezahlt würde, setzte das Prinzip der Bedarfsprüfung außer Kraft. Heute muss jeder, der Hilfen der Gemeinschaft erbittet, seine Bedürftigkeit nachweisen. Mitunter fahndet das Amt nach jedem privaten Cent und zieht ihn von der Hilfe ab. Würde dagegen das Wirklichkeit, was Rürup vorschlägt, könnte man sich auf seine Grundrente verlassen - ohne dass die Riester-Rente angerechnet würde. Verschiedene Modelle von Grundeinkommen haben zuletzt die Grünen bei ihrem Parteitag im November 2007 diskutiert.

Doch das ist Zukunftsmusik. Entgegen allen offiziellen Beschwichtigungen wissen die Menschen, um die es geht, anscheinend schon sehr genau, was sie erwartet. Das legt eine Studie des Finanzwissenschaftlers Giacomo Corneo nahe, der an der Berliner Freien Universität arbeitet. Demnach sparen die Bezieher niedriger Einkommen seit Einführung der Riester-Rente weder häufiger, noch legen sie mehr Geld beiseite.

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8 Kommentare

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  • R
    Rehse

    Es muss erst die Rentenversicherung darauf aufmerksam machen, welche "Haken und Ösen" es bei der Riester-Rente gibt. Der Widersache von Riester in dessen eigener Partei, eine Koryphäe namens Dreßler hat nur kritisiert, dass es "Riester-Rente" heisst. "Dreßler-Rente" wäre ihm lieber gewesen. Aber aller Unmut nützt ja nichts. Die Gegenwehr bleibt stets auf der Strecke! Die Renten werden immer weniger wert durch die Inflation, dann sinken sie auch noch, weil das Geld woanders vergraben wird und die Armut steigt. Hauptsächlich es kann vom Aufschwung gefaselt werden. Armes Deutschland.

  • H
    habe_nix

    Es Handelt sich im Grunde um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit Viele "Fachleute" wollen nicht sagen wo das wirkliche Problem im Grunde Liegt.

     

    1. Wenn ein Arbeitnehmer in Vollzeit Arbeiten Geht dann muss er so viel Geld bekommen das er, ohne Zuschüsse vom Staat, Gut davon Leben kann (Mindestlohn über der Sozialhilfe).

    2. Dabei sollte auch genug Übrig bleiben um für eine Zusatz-rente Sparen zu können . 3. Ein Teil der eingezahlten Beiträge dürfte verzinst werden (das kann zwar Riskantsein aber ist machbar). 4. Wer dann Rente bekommt sollte so viel bekommen das er Über der Sozialhilfe Liegt (z.b. Mindestrente).

     

    und auch die Staatskasse kann sich dann Freuen denn 1. mehr Steuereinnahmen durch mehr Steuerpflichtiges Einkommen und 2. weniger Ausgaben für die Folgen der Dumping-Löhne von Skrupellosen Arbeitgebern die zum zwecke ihrer Gewinn - maximierung ihre Arbeitnehmer für einen Hungerlohn Arbeiten lassen.

    Alle Industrie- und Arbeitgeber- Verbände Laufen Sturm gegen Jede Änderung bei Riester Rente und Mindestlohn weil Sie diejenigen sind die auf diesem weg an den Milliarden von Steuergeldern Partizipieren können. Aber wie heisst es doch so schön: Ist der Ruf erst ruiniert, lebts sich gänzlich ungeniert.

    An die Adresse der Arbeitgeber-Verbände sei Gesagt:

    Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.

  • T
    Tinus

    Die Riester Rente ist grundsätzlich eine völlig unsinnige 'Geldanlage'. Allein schon wenn man sich die Gebührenstruktur der Verträge ansieht wird deutlich, dass die staatliche Förderung fast ganz für Gebühren verwendet wird. Manches Riester-Angebot ist dann auch so berechnet, dass die Garantieauszahlung unter dem Wert der eingezahlten Beiträge liegt. So wird die Riester-Rente zunehmend auch zu einem Angriff auf den gesunden Menschenverstand. Die mickrige Rendite soll dann Altersarmut vermeiden. Das ist ein Witz, denn die Entwicklung des Geldwertes kann man nicht voraussagen. Ein Blick in die jüngste Vergangenheit zeigt dann noch, dass der Euro seit 2002 schon mindestens 40 Prozent an Wert verloren hat. Wahrscheinlich geht das so weiter.

    Vielleicht sollten wir alle lieber auf den Rummel gehen, dann haben wir noch etwas von unserem Geld!

  • A
    Alster

    Ganz auf den Staat verlassen ist gut, Herr Scholz.

    Die Politiker tun doch nichts Anderes. Erhöhen sich

    die Diäten, obwohl sie das eigentlich gar nicht nötig hätten, da sie schon bequem von ihren Nebeneinkünften leben könnten. Dass heißt quasi:

    Wer hat darf sich nehmen (auch vom Steuerzahler).

    Wer nichts hat, soll von dem wenigen noch vorsorgen,

    um dem Steuerzahler 'nicht zur Last' zu fallen. Hätten

    die 'Etablierten', nicht all die Jahrzehnte eine

    zum Himmel schreiende Unfähigkeit bewiesen, sähe

    es in der deutschen Landschaft heute besser aus.

    Was ihr euch da geleistet habt, war ohne Verstand

    und Reife. Mit eurer Politik habt ihr dafür gesorgt, dass der Reichtum des Landes an dem gemeinen Volk vorbei geht. Mit dieser Eurer Politik, zerstört ihr die Hoffnung und die Eigeninitiativen, weil alles das was man macht

    ein Hasardeur- Spiel ist.

  • O
    Ottissimo

    "Demnach sparen die Bezieher niedriger Einkommen seit Einführung der Riester-Rente weder häufiger, noch legen sie mehr Geld beiseite."

     

    Ja, wovon denn auch?

     

    Gruß,

     

    O.

  • HS
    Hans Schindler

    Mir, der ich sehr lang studiert hab, vier Jahre im Ausland ohne Sozialversicherung, drei Jahre nur halbtags gearbeitet, jetzt seit Jahren nur Euro 1300.- verdiene, wollten bereits drei Bankberater (Badische Beamtenbank, Postbank, Sparda-Bank) die Beitragszahlungen zur Riester Rente aufschwatzen.

     

    Ich habe mich sachkundig gemacht und mich dagegen gewehrt, weil sich das rechnerisch nicht lohnt. Wenn jetzt Attac und Co. meine Bemühungen zunichte machen wollen, indem sie durchsetzen, dass die Riesterrente ZUSÄTZLICH zur Mindestversorgung gezahlt wird, werde ich sie auf Schadensersatz verklagen.

  • KK
    Kabur Kabari

    Mal ehrlich. Alles andere wäre doch verwunderlich.

    Das Familiengeld ist effektiv darauf angelegt, den Habenden zu geben und den Bedürftigen zu entziehen.

    Die Riester-Rente bescheißt die Geringverdiener um den Ertrag ihrer "vom Mund abgesparten" Altersrücklagen, fast schon so wie bei den Albanischen Anlagebetrügern, die in Tirana ja auch überweigend die Ärmsten beschissen haben.

    Und wenn wir uns angucken, welche Zielgruppe die sogen. Steuerreformen der von den schröderistischen SPD-Finanzministern anvisieren, dann sehen wir schon so etwas wie staatlich organisierte Korruption.

    Die effektive, reale Begünstigung des Finanzspekulationssektors, der mit dem Tarnbegriff "Investitionswirtschaft" ummantelt wird, dokumentiert, welche Qualität unsere heutigen Eliten haben. Frei von jeder gesellschaftlichen Verantwortungsfähigkeit und -willligkeit agieren diese Gruppen als willfährige Helfershelfer und Handlanger des neuen deutschen Finanzfeudalismus.

     

    Warten wir, wohin uns das führt? Oder - reden wir einfach einmal über die Realitäten und klären, ob wir diese moderne, finanzielle Variation des ständisch-korporativen Faschismus wirklich wollen.

  • LS
    Lutz Sperling

    Geringverdiener? Wer 1500 Euro Netto als Alleinstehender bekommt (das müssten bei Steuerklasse 1 ungefähr 2.5000 Euro Brutto sein), zählt in Deutschland nicht als geringverdienend.