Wahlen in Niedersachsen und Hessen: Ein bisschen was fürs Herz
Die SPD kann doch noch Wahlen gewinnen, freut sich Kurt Beck. Der CDU ist dagegen überhaupt nicht zum Feiern zumute.
BERLIN taz Als die Wahlparty im Willy-Brandt-Haus in Berlin fast schon vorbei ist, springt plötzlich Michael Naumann auf die Bühne. Neben ihm steht Kurt Beck. Der Parteichef hat den SPD-Sieg in Hessen gerade "hervorragend und großartig" genannt und als wichtigstes Ergebnis des Abends festgehalten, dass die deutsche Sozialdemokratie in der Lage sei, in den Ländern Wahlen zu gewinnen. Jetzt zieht Beck, angesichts von Naumann, dem SPD-Spitzenkandidaten für die Hamburg-Wahl Ende Februar, die einzig richtige Konsequenz daraus: "Wir wollen und werden Hamburg zurückgewinnen." In der Berliner Parteizentrale brandet Jubel auf.
Solch einen Wahlabend hat die SPD lange nicht mehr erlebt. Die bittere Niederlage in Niedersachsen spielt so gut wie keine Rolle, alles schaut nach Hessen, auf den symbolischen Kampf einer SPD-Linken gegen einen CDU-Rechten. Schon früh ist erkennbar, dass die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti die Mehrheit von Ministerpräsident Roland Koch brechen würde. Aber worauf genau das hinausläuft, ob auf eine rot-grüne Mehrheit oder "nur" einen sozialdemokratischen Erfolg mit ungewissen Koalitionsoptionen, ist lange Zeit nicht absehbar.
Und so wartet Kurt Beck bis genau 19 Uhr, um seinen Genossen die zwei zentralen Botschaften dieser Landtagswahlen zu verkünden. Die erste, eben jene, dass die SPD wieder gewinnen könne, ist fürs Herz. Die zweite zielt auf den Verstand: "Wir haben die richtigen Themen gesetzt", sagt Beck. "Soziale Gerechtigkeit und Bildungschancen für alle - das treibt die Menschen um." Und weil Koch die Wahlen zu diesem Zeitpunkt noch nicht verloren gegeben hat, schiebt Beck hinterher, dass plus 8 Prozent für die SPD und minus 13 Prozent für die CDU eine deutliche Sprache sprächen: "Wenn das kein Auftrag ist, dass die SPD in Hessen regiert, dann weiß ich nicht, was ein Wählerauftrag ist."
In diesem knappen Ausgang liegt für die Bundes-SPD ja auch die eigentliche Botschaft. Alles ist möglich, hieß es lange in Hessen. Alles ist möglich - das glaubt die SPD jetzt auch in Bezug auf die Bundestagswahl 2009. Becks Linkskurs hat in Hessen einen Triumph gefeiert. Dass die SPD in Niedersachsen mit linken Themen verliert, dass die SPD die Linkspartei nicht unter 5 Prozent halten kann - davon war an diesem Abend nicht die Rede.
Im Konrad-Adenauer-Haus, ein paar hundert Meter Luftlinie von der SPD-Zentrale entfernt, ist niemandem zum Feiern zumute. Die guten Werten für die FDP in Hessen wecken zwar lange die leise Hoffnung, dass es doch noch für die "bürgerliche Mehrheit" reichen könnte. Aber das kann die Enttäuschung kaum mindern. Eines ist schon nach den ersten Zahlen klar: Die CDU musste bei beiden Landtagswahlen deutliche Verluste hinnehmen - nicht nur in Hessen. Damit steht eine Verliererin des Wahlabends frühzeitig fest: CDU-Chefin Angela Merkel.
Das wird schon am Montag und die nächsten Wochen heftige Debatten über den Kurs der Union auslösen. Ist Merkel in Berlin zu nachgiebig gegenüber der SPD? Kümmert sich Merkel zu wenig um die Innenpolitik? Allein auf Kochs Fehler lässt sich der Abwärtstrend der CDU nicht schieben. Das sagt ihr Generalsekretär Ronald Pofalla natürlich nicht, als er vor die Kameras tritt. Er versucht das Positive hervorzuheben und richtet einen "herzlichen Glückwunsch an Christian Wulff", der eines bewiesen habe: Auch mit der Linkspartei in westdeutschen Landtagen könne man eine "bürgerliche Mehrheit" schaffen. Von einer strukturellen linken Mehrheit im Land könne keine Rede sein.
Doch dieser Wahlabend wird vor allem für das Machtgefüge in der CDU und die künftigen Wahlkampfstrategien, auch im Blick auf die Bundestagswahl 2009, Folgen haben. Wulff, so viel steht fest, hat den parteiinternen Zweikampf gegen Koch gewonnen. Seine Verluste sind deutlich geringer als die des Hessen - und er kann auf jeden Fall weiterregieren. Koch kann sich künftig vielleicht noch als Stehaufmännchen inszenieren, als einer, der kämpft und nie aufgibt. Aber Wulff mit seiner weichem Wahlkampfstil war eindeutig erfolgreicher.
Eine einflussreiche CDU-Öffentlichkeitsarbeiterin analysiert das Ergebnis trocken: Kochs Strategie sei "nicht aufgegangen". Er habe mit seiner Kampagne gegen kriminelle Ausländer "mehr Stimmen in der Mitte verloren, als er am rechten Rand geholt hat." Das zeige, dass die Union "in der Mitte Stimmen holen" müsse. Das immerhin ist ein Trost für Merkel, denn diese Erkenntnis hatte sie schon länger: "Wir sind die Mitte", verkündete sie bereits auf dem Parteitag im Dezember.
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