EU-Justizkommissar für Fluggastdatei: Streit über totale Überwachung

Beim Polizeikongress in Berlin hat EU-Justizkommissar Franco Frattini die Speicherung von Fluggastdaten gefordert.

Die EU-Kommission will Fluggastdaten bis zu 13 Jahre lang speichern lassen Bild: dpa

BERLIN taz Rund 1.800 Experten aus 60 Ländern tagen noch bis MIttwoch auf dem 11. Europäischen Polizeikongress in Berlin, einer großen internationalen Fachkonferenz zur inneren Sicherheit Europas. Sie beraten über die Abschottung der europäischen Außengrenzen sowie deren Überwachung und informieren sich über neue Produkte der Sicherheitsindustrie.

EU-Justizkommissar Franco Frattini forderte, dass Grenzübertritte nach Europa einheitlich erfasst werden sollten. Dazu gehöre auch, Fluggastdaten bis zu 13 Jahre lang zu speichern und für die Rasterfahndung gegen mutmaßliche Terroristen zu verwenden. Wer Zugriff auf die 19 Merkmale, darunter Flugroute und Kreditkartennummer, bekommt, ist noch nicht klar.

Bundesjustizministerin Zypries (SPD) lehnte den Vorstoß mit Hinweis auf das Grundgesetz ab. Sie warnte vor einer europäischen Fluggastdatei nach US-Vorbild und weiteren Schritten hin zu einem Präventionsstaat. Verteidigt wurde die europäische Datenbank hingegen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Vorschläge ähnelten einem Abkommen mit den USA zur Weitergabe von Fluggastdaten, die der Bundestag ohne verfassungsrechtliche Bedenken gebilligt habe.

EU-Kommissar Frattini sprach sich außerdem für eine bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden aus. Ermittler aller EU-Staaten müssten Zugang zu allen relevanten Datenbanken bekommen. Auch das Internet müsse mit Hilfe von Kreditkartenunternehmen und Providern besser überwacht werden.

Zahlreiche Unternehmen der Sicherheitsbranche, darunter EADS, Dräger, Siemens, IBM, SAP und T-Systems, stellen ihre Produkte aus. Präsentiert werden unter anderem Neuerungen auf dem Feld der automatischen Gesichtserkennung und der Kontrolle von Internetinhalten.

Gegen den Kongress und die europäische Innenpolitik hat das Komitee für Grundrechte und Demokratie zu Protesten aufgerufen. Die Sicherheitsmesse sei Ausdruck eines sich entwickelnden polizeilich-industriellen Komplexes, so Heiner Busch vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Dass Exinnenminister Otto Schily (SPD) heute bei einem Biometrie-Konzern beratend tätig ist, sei kein Zufall. Ende 2004 verpflichtete die EU ihre Mitgliedsländer zur Einführung biometrischer Reisepässe. Es sei zu befürchten, dass der Zwang zur Identifikation über biometrische Daten auf Dauer nicht auf visumspflichtige EU-Ausländer beschränkt bleibe. Seit geraumer Zeit befürwortet die EU-Kommission ein zentrales europäisches Passregister. Busch kritisiert, dass die polizeiliche Vernetzung ohne demokratische Kontrolle hinter verschlossenen Türen stattfinde.

Für den Dienstagnachmittag waren zwei Kundgebungen westlich und östlich des Berliner Congress Centers am Alexanderplatz angekündigt. Die Polizei hatte Proteste vor dem Kulturkaufhaus Dussmann und vor dem Haus der Deutschen Wirtschaft verboten.

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