Datenschutz siegt über Urheberrecht: Keine User-Daten an Musikbranche

Der Europäische Gerichtshof verweigert der Plattenindustrie europaweiten Anspruch auf Internetdaten. Aber neue Gesetze könnten das ändern.

Welche IP-Adresse dieser Mann hat? Geht die Plattenfirmen garnichts an. Bild: dpa

FREIBURG taz Die EU-Staaten sind nicht verpflichtet, der Plattenindustrie Zugriff auf Internet-Verbindungsdaten zu geben. Dies entschied gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die EU-Staaten können derartige Ansprüche für die Plattenindustrie allerdings einführen, wenn es im jeweiligen Land politische Mehrheiten dafür gibt. Die große Koalition in Deutschland hat entsprechende Pläne. Der konkrete Fall spielt in Spanien. ProMusicae, ein Zusammenschluss von Plattenfirmen, verlangte von der großen spanischen Telefongesellschaft Telefonica Auskünfte. Auf der Suche nach Nutzern der Musik-Tauschbörse Kazaa hatte ProMusicae bestimmte IP-Internetadressen identifiziert. Von den zugehörigen Computern sollen illegal Musikdateien heruntergeladen worden sein. ProMusicae wollte nun wissen, wem die entsprechenden

Computer gehören, um Schadensersatz einklagen zu können. Telefonica gab die Daten aber nicht heraus, weil die Weitergabe der Verbindungsdaten in Spanien nur für strafrechtliche Zwecke, nicht für Schadensersatzklagen, möglich ist. Ein spanisches Gericht legte den Fall jetzt dem EuGH zur Entscheidung vor. ProMusicae hatte argumentiert, das spanische Recht verstoße gegen höherrangige EU-Richtlinien zum Schutz des Urheberrechts. Spanien sei verpflichtet, Auskunftsansprüche auch für zivilrechtliche Verfahren der Musikwirtschaft einzuführen. Das sah der EuGH nun aber anders. Es gebe keine derartige europarechtliche Pflicht, betonten die Richter. Allerdings sei die Einführung von Auskunftsansprüchen der Musikindustrie europarechtlich auch nicht verboten, so der EuGH. Die EU-Datenschutzrichtlinien stünden dem nicht entgegen. Dabei müsse der nationale Gesetzgeber aber ein "angemessenes Gleichgewicht" zwischen Urheberrechten und Datenschutz sicherstellen. Vor allem müsse bei Maßnahmen gegen illegale Musicdownloads das Verhältnismäßigkeits-Prinzip beachtet werden. Der Staat dürfe also nicht überreagieren. In Deutschland plant die große Koalition derzeit ein "Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums". Darin erhält die Musikindustrie auch ein direktes Auskunftsrecht gegenüber Internetprovidern, wenn ein Kunde verdächtigt wird, dass er Musikdateien "im geschäftlichen Verkehr", also mehr als privat üblich, anbietet oder herunterlädt. Die dritte und abschließende Lesung des Gesetzes im Bundestag war eigentlich schon im letzten Jahr vorgesehen, doch SPD und CDU/CSU sind sich über die Details noch uneinig. Ob die Einschränkung auf den "geschäftlichen Verkehr" jugendliche Downloader sicher vor Auskunftsansprüchen der Musikindustrie schützt, werden die Gerichte entscheiden müssen. Der Auskunftsanspruch soll sich nur auf Daten beziehen, die ohnehin zu technischen oder Abrechnungszwecken bei den Internet-Providern gespeichert sind. Verbindungsdaten, die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung seit Jahresbeginn vorsorglich für polizeiliche Zwecke gespeichert werden müssen, dürfen an die Musikindustrie nicht herausgegeben werden. Ein entsprechender bayerischer Antrag fand selbst im Bundesrat keine Mehrheit. Da es sich aber teilweise um die gleichen Daten handelt, ist die technische Umsetzung noch ungeklärt. Derzeit strengt die Musikindustrie Strafverfahren an und lässt die Staatsanwaltschaft die entsprechenden Daten besorgen. Wenn die Internetnutzer anhand der IP-Adressen identifiziert wurden, verlangt die Plattenindustrie Akteneinsicht und stellt dann ihre Schadensersatzforderungen, die meist zu Vergleichen mit Kosten in Höhe von einigen Tausend Euro führen. Az.: 1 BvR 620/07

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