Die SPD und die Linke: Wie Kurt Beck seine Partei fesselt
Der SPD fehlt ein Pragmatiker wie Altkanzler Schröder: Der benutzte die PDS, wenn es der Macht diente. Parteichef Beck sieht aber in der Absage an Koalitionen eine politische Festlegung.
BERLIN taz Das ganze Problem der SPD mit der Linkspartei wird schon deutlich, wenn Kurt Beck nur den Mund aufmacht. Dann spricht er, wie am Montag nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, in jedem zweiten Satz von der "sogenannten Linken". Manchmal bezeichnet er sie auch als "PDS oder wie die gerade heißen".
Gibt es die Linkspartei in Kurt Becks Welt gar nicht? Manchmal macht es den Eindruck. So als glaubten Beck und seine Sozialdemokraten, mit ein paar sprachlichen Kindereien die Linkspartei einfach verschwinden lassen zu können. Auch wenn sie diesen Unfug seit ein paar Monaten treiben - sie wissen längst, dass die Linke Realität ist und dass sich mit ihr das Fünfparteiensystem in der Bundesrepublik etabliert hat. Aber wie sie sich in diesem neuen System bewegen sollen, dass wissen die Sozialdemokraten noch nicht.
Es ist leicht, sich darüber lustig zu machen. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Geschichte zwischen SPD und PDS, zwischen SPD und Linkspartei eine komplizierte Beziehungskiste ist, inklusive Kränkung und Verrat. Das fängt bei der Sprache an.
Dass der SPD-Chef am Montag von der "sogenannten Linken" sprach, hatte ja einen Grund: Beck wollte den Begriff "links" für seine Partei okkupieren. Er definierte die Sozialdemokratie deutlicher als zuvor als Partei der "linken Mitte", als "linke Volkspartei". Die Linkspartei hingegen ist für Beck in Westdeutschland nur eine "Protestsammelpartei", eine "rein populistische Partei", die Protestwähler "ganz rechts außen" und "ganz links außen" einfange. Regieren könne sie im Westen nicht.
Das ist der Kurs, den Beck verfolgt, seit er im Mai 2006 SPD-Chef wurde: Keine Koalition mit der Linken im Bund, keine Koalitionen mit ihr in den westdeutschen Ländern. Für den Osten gelten besondere Bedingungen. Die erste rot-rote Koalition gab es in Mecklenburg-Vorpommern (1998-2006). In Berlin regiert ein Bündnis aus SPD und PDS bzw. der Linken seit Januar 2002.
Offiziell festgeklopft hat Beck seine Position im Mai 2007, nach der Wahl in Bremen, bei der die Linkspartei mit 8,4 Prozent der Stimmen erstmals in ein westdeutsches Parlament eingezogen war. Er nannte damals drei Gründe für seine ablehnende Haltung: die nicht bewältigte SED-Vergangenheit der Linkspartei, ihre internationale Handlungsunfähigkeit (Stichwort: Afghanistan) und ihre Realitätsblindheit (Stichwort: Hartz IV). Beck vergaß allerdings auch nicht, Oskar Lafontaine zu erwähnen. Seinem Vorgänger im SPD-Vorsitz warf er wegen dessen Übertritts zur Linkspartei Charakterschwäche vor: "Jetzt versucht er ganz bewusst, die SPD zu provozieren."
Beck sieht in der Ablehnung von Koalitionen mit der Linkspartei eine politische Festlegung. Er will sie nicht als "Ukas" der Parteiführung verstanden wissen, der den SPD-Landesverbänden im Westen eine Zusammenarbeit mit der Linken verbietet. Ganz auf dieser Linie liegt die Haltung der SPD-Spitze in Berlin zu einer möglichen rot-rot-grünen Koalition in Hessen oder einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung: Es wird beides nicht geben. "Unter keinen Umständen", wie Beck sagt.
Das hat politische, personelle, taktische und strategische Gründe. Politisch heißt: Die Linkspartei hat gar kein politisches Programm. Die SPD-Spitze weist darauf hin, dass die Linke in Hessen nicht über Landespolitik, sondern fast nur über Afghanistan und Hartz IV geredet habe. Personell heißt: Die neue Fraktion ist kein verlässlicher Partner, sie verfügt über keinerlei parlamentarische Erfahrung. Taktisch heißt: Die SPD will Rot-Rot-Grün schon deswegen nicht zulassen, um Union und FDP keine Steilvorlage für einen Bundestags-Lagerwahlkampf 2009 zu liefern. Und strategisch heißt: Beck braucht eine Ampelkoalition in Hessen als Vorbild für den Bund. Mit einem Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP will Beck 2009 Kanzler werden.
Aber bei allem rationalen politischen Kalkül: Die Ablehnung der SPD lebt auch immer noch von der Arroganz des Etablierten und der Verletzung einer stolzen Partei, die blinde Wut produziert. Beides hat eine lange Geschichte. Man kann bis 1917 zurückgehen, als sich mit der USPD die erste linke Partei von der SPD abspaltete. Man sollte aber auch an den Januar 1990 erinnern, als die komplizierte Beziehung von SPD und PDS ihren Anfang nahm.
Ein gewisser Wolfgang Berghofer trifft sich am 18. Januar 1990 mit den ehemaligen DDR-Oppositionellen Martin Gutzeit und Markus Meckel. Berghofer ist Oberbürgermeister von Dresden und stellvertretender Chef der frisch umbenannten SED-PDS. Gutzeit und Meckel haben ein paar Monate zuvor, noch unter konspirativen Umständen, eine ostdeutsche SPD gegründet. Berghofer macht den Sozialdemokraten ein Angebot. Er will zur SPD überlaufen und verspricht, gleich noch dreißig Kombinatsdirektoren mitzubringen. Berghofers einzige Bedingung: Seine neue Partei möge den kollektiven Übertritt doch mit einem Vorstandsbeschluss absegnen. Meckel und Gutzeit lehnen ab. Solche Entscheidungen würden die junge Partei zerreißen, sagen sie. Drei Tage später erklärt Berghofer seinen Rücktritt als stellvertretender PDS-Chef und steigt ganz aus der Politik aus.
Die SPD wäre heute das Problem mit der Linkspartei los, wenn sie Berghofer damals in ihre Partei aufgenommen und damit ein Zeichen an alle SED-Reformer gesetzt hätte. Die PDS hätte das Jahr 1990 wohl nicht überlebt. Die Entscheidung der SPD hat sich, historisch gesehen, als Fehler erwiesen - aber der Fehler war unter den damaligen Umständen wohl unvermeidbar. Viele Fehler, die die SPD im Umgang mit der PDS danach gemacht hat, erklären sich mit der Angst von damals.
Noch 1994 ließ der Parteivorsitzende Rudolf Scharping eine "Dresdener Erklärung" verabschieden, die jegliche Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS verbot. Als Harald Ringstorff 1995 in Mecklenburg-Vorpommern versuchte, eine rot-rote Koalition auf die Beine zu stellen, hinderte ihn Scharping daran und drohte mit einem Parteiausschlussverfahren. Erst Gerhard Schröder (als Kanzler) und Oskar Lafontaine (als SPD-Chef) brachen den Bann. Mit ihrer Billigung bildete Ringstorff 1998 die erste Koalition mit der PDS.
Der SPD-Spitze fehlt heute ein pragmatischer, prinzipienloser Mann wie Schröder, der die Koalitionsfrage mit der Linkspartei auf ähnliche Weise beantwortet: nicht ausgrenzen, sondern einbinden; den Rest entscheiden die Landesverbände vor Ort. Kurt Beck hat sich mit seiner prinzipiellen Festlegung selbst gefesselt, und damit auch seine Partei. Seine Abgrenzung wirkt ausgrenzend - und macht die Linke größer, als sie tatsächlich ist. Seiner Partei verbaut er damit neue Zugänge zur Macht.
Kann Beck lernen? Im Herbst 2009 wird im Saarland, in Lafontaines Land, gewählt. SPD-Landeschef Heiko Maas will die CDU aus der Regierung verdrängen und würde dies notfalls auch mit der Linken tun. Die dortige Linkspartei ist so stark wie nirgends sonst im Westen und wird von Exsozialdemokraten geprägt. Die Grünen stehen auch zum Bündnis bereit. Eine bessere Chance für Rot-Rot-Grün wird im Westen so schnell nicht wiederkommen. Was hätte Schröder gesagt? Mach mal, Heiko - wenns uns hilft.
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