Kommentar Öffentlicher Dienst: Die Magie der hohen Prozentzahlen
Taktikspiele bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst - Die Steuerzahler haben ein Recht auf mehr Transparenz.
D er Tarifstreit im öffentlichen Dienst geht am Montag in die dritte Runde - und wer wissen will, wie in den Verhandlungsrunden mit Zahlen und Laufzeiten getrickst wird, der muss sich nur den Streit um die Prozente anschauen, in dem die Verhandlungspartner mit Sein und Schein operieren.
"Bis zu fünf Prozent" mehr Gehalt hatten die Arbeitgeber angeboten. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte: Damit sind die Spielräume der öffentlichen Kassen ausgeschöpft. Fünf Prozent mehr! Das wirkt für das Publikum auf den ersten Blick recht großzügig und gar nicht so weit entfernt von den acht Prozent Plus, der Forderung von Ver.di. Nur - es macht einen wesentlichen Unterschied, ob die prozentuale Erhöhung auf einen Schlag kommt und dann nur für ein Jahr gilt, wie von der Gewerkschaft gefordert, oder ob die Steigerung in mehreren Stufen und für eine Laufzeit von zwei Jahren vorgesehen ist. Letzteres beinhaltet das Arbeitgeberangebot.
Das Arbeitgeberangebot erscheint erst recht bescheiden, wenn man berücksichtigt, dass die Kommunen auch noch gerne die Arbeitszeit der Beschäftigten um anderthalb Stunden auf 40 Stunden erhöhen würden. Kein Wunder also, dass die Gewerkschaften das Angebot als "Mogelpackung" bezeichnen und in ihrer Rechnung nur auf eine Steigerung von 2,5 Prozent in diesem Jahr und knapp 0,5 Prozent im nächsten Jahr kommen. Damit aber werden erstens nicht die erwarteten Preissteigerungen ausglichen. Zweitens ist es auch deswegen frech, weil die Beschäftigten dafür noch länger arbeiten.
Natürlich sind Tarifverhandlungen immer auch ein Ritual. Aber wie wäre es, das Publikum ein bisschen ernster zu nehmen und Angebote auf den Tisch zu legen, die nicht nur von Experten mit Taschenrechnern und der Kenntnis von speziellen Umrechnungsformeln zu verstehen sind? Erst dann nämlich lässt sich eine Debatte über Sinn oder Unsinn eines Streiks führen. Die Steuerzahler finanzieren die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Sie haben ein Recht auf mehr Transparenz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!