die wahreit: Elektroschocks mit Musik

Gilbert Bécaud wurde wegen seines Temperaments "Monsieur 100.000 Volt" genannt. Bald wird es viele Bécauds geben - allerdings nur mit halber Spannung.

Wenn er das noch erlebt hätte! Gilbert Bécaud, der 2001 verstorbene französische Chansonnier, wurde wegen seines Temperaments "Monsieur 100.000 Volt" genannt. Bald wird es viele Bécauds geben - allerdings nur mit halber Spannung. Der "Taser" sendet nur 50.000 Volt aus.

Es ist angeblich eine Selbstverteidigungswaffe. Sie sieht aus wie ein verbogener Rasierapparat, aber sie schießt zwei Pfeile ab, die an einem Kabel befestigt sind und sich ins Fleisch bohren. Durch das Kabel schickt der Taser dann 50.000 Volt, sodass das Opfer am Boden zappelt wie ein Fisch an der Angel. Die Reichweite des Geräts beträgt viereinhalb Meter. Weltweit sind schon mehr als eine halbe Million Stück an Privatleute verkauft worden. Außerdem sind 12.000 Ordnungshüter damit ausgerüstet, darunter die britische Polizei.

Auf der Elektronik-Verbrauchermesse in Las Vegas wurde nun eine Version für Frauen vorgestellt: Der schicke Taser mit Halfter und eingebautem MP3- Spieler "für persönlichen Schutz und persönlichen Musikgeschmack". Mit den beiden mitgelieferten Lithium-Batterien kann man 50 Menschen zu Dörrobst brutzeln und dabei die "Messe in F-Moll" von den Electric Prunes hören. Die Herstellerfirma wirbt auf ihrer Internetseite mit einem roten Herzen zum Valentinstag. "Liebst du sie? Dann schütze sie." Ein Mordinstrument statt Blumen, warum nicht? Zwar behauptet das Unternehmen, das Gerät habe nur 0,0021 Ampere, aber ganz so harmlos ist es nicht: In den USA sind mehr als 70 Menschen an einer Taser-Behandlung gestorben.

Firmenchef Rick Smith prahlt: "Innovatives Design, beispiellose Leistung und bahnbrechender Stil - wer sagt, dass Sicherheit nicht elegant sein kann?" Der neue Taser richte sich vor allem an Joggerinnen: Wenn sie im Park laufen, nehmen sie einen iPod statt einer Selbstverteidigungswaffe mit. Dank des "iTasers", wie das Gerät hämisch genannt wird, geht nun beides.

Natürlich gibt es das handliche Gerät in verschiedenen Ausführungen: in Rot, in Pink, in Tarnfarben für Hobbysoldatinnen und neuerdings auch mit Leopardenfellüberzug für die Lady von Welt. Falls sie Panik bekommt und türmt, während ihr Taser an den Pfeilen noch am Opfer hängt, ersetzt das Unternehmen das Gerät kostenlos.

Das wird den 45-jährigen Firmendirektor aus London freuen, der neulich im Norden der britischen Hauptstadt polizeilich getasert wurde. Nach dem ersten Elektroschock ging er in die Knie, nach dem zweiten fiel er auf sein Gesicht und schlug sich die Zähne aus, und nach sechs weiteren Schocks machte er sich in die Hose. Der Beamte hörte dabei vermutlich "Shakin all over" von Johnny Kidd. Später stellte sich heraus, dass der Mann nicht nur unbewaffnet, sondern auch unschuldig war. Für einen solchen Fall bietet das Unternehmen ein bedrucktes T-Shirt an. Neben dem Foto des Elektroschockers steht der Spruch: "Was, du bist unschuldig? Dann sehen wir uns doch mal das Video aus der Überwachungskamera an."

Nach dem Benutzen des Tasers sollte man übrigens aufpassen, dass man ihn wieder richtig zusammensetzt. Sonst steckt man sich womöglich die mit 50.000 Volt geladenen Pfeile ins Ohr, während man auf das Opfer ein Paar Ohrhörer abfeuert.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.