Bewegter Jubilar

1859 wurde in Hamburg der 100. Geburtstag Friedrich Schillers gefeiert. Obwohl der Dichter die Stadt nie besuchte, blieb das Verhältnis innig

von Bernhard Röhl

Johann Christoph Friedrich Schiller kam am 10. November 1759 in Marbach am Neckar zur Welt. Zu seinem 100. Geburtstag wurden überall im Land prächtige Gedenkfeiern veranstaltet. Auch in Hamburg: Am 11. November 1859 begann das große Schiller-Fest, dauerte bis zum 13. November und fand ein grandioses Echo. Zu den Initiatoren der dreitägigen Festivität gehörte auch der Hamburger „Bildungsverein für Arbeiter“, der in den folgenden 25 Jahren immer wieder mit Veranstaltungen des Dichters, Dramatikers und Historikers gedachte. Im frühsozialistischen „Bildungsverein“ sah man ihn als Symbolfigur für die angestrebte deutsche Einheit und Freiheit.

Die Sonne schien über der Hansestadt, als sich am 13. November 1859 mehr als 10.000 Menschen am Glockengießerwall zum großen Festzug versammelten. In Berufskleidung und mit ihren Fahnen nahmen die Handwerker daran teil; der Künstlerverein, Fahnenschwenker und eine Musikkapelle in historischen Kostümen boten ein farbenprächtiges Bild. Auf den Straßen, aus Fenstern und von Dächern jubelten unzählige Zuschauer. Büsten des „Räuber“-Dichters – der nie einen Fuß auf Hamburger Boden gesetzt hatte – wurden verkauft, genauso Figuren aus Marzipan.

Bald darauf, ab 1860, fertigten Justus Lippelt und sein Schüler Carl Börner das Hamburger Schiller-Denkmal. „Zum Andenken an den 10. November 1859 von Bürgern Hamburgs errichtet am 9. Mai 1866“, lautete die Inschrift an der Statue des am 9. Mai 1805 Verstorbenen.

So zog im Mai 1866 wieder ein langer Festzug mit Fahnen und Musikkapellen durch die Straßen Hamburgs, die Häuser hatten Flaggenschmuck angelegt. Aufgestellt wurde die Skulptur am Ferdinandstor, gleich gegenüber der Kunsthalle, die dann 1869 eröffnet wurde.

Noch zu seinen Lebzeiten kamen Werke Schillers in Hamburg zur Aufführung, Don Carlos wurde hier sogar uraufgeführt. 1935 inszenierte Jürgen Fehling das Stück am zwei Jahre zuvor in „Staatliches Schauspielhaus“ umbenannten Deutschen Schauspielhaus erneut. Als die Forderung „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ ertönte, führte das im Zuschauerraum zu demonstrativem Beifall – ein Vorgang, der sich bei Aufführungen des Stückes in Berlin und Köln wiederholte und bei den regierenden Hakenkreuzträgern wütende Reaktionen hervorrief. In einer seiner theoretischen Arbeiten hatte Schiller die „Schaubühne als moralische Anstalt“ betrachtet – 1935 hatten das zumindest diese Theatergänger verstanden.

1958 besuchte der erste Bundespräsident Theodor Heuss die Hansestadt und kam dabei auch am Schiller-Denkmal vorbei. Als er sah, dass das Standbild seines berühmten schwäbischen Landsmannes wie ein Parkplatzwächter von abgestellten Autos eingekesselt war, bemängelte er diesen Anblick. Der Senat gehorchte, das Denkmal wurde am Ferdinandstor demontiert und an den Dammtordamm gebracht.

Lange Zeit stand in direkter Nachbarschaft der steinernen Geistesgröße ein Bierlokal, das später abgerissen wurde. An seiner Stelle steht heute ein Kinopalast. Schiller blickt auf dessen Besucher, den Dammtorbahnhof, die vorbeifahrende Blechkarawane. Gar nicht weit weg ist der Platz vor dem Dammtorbahnhof nach Theodor Heuss benannt.