die wahrheit: Der Führer des Stiefels

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Silvio "Zwerg" Berlusconi.

Mehr als anderthalb Jahre war kein Mucksmäuschen von ihm zu hören. Seit jenem 17. Mai 2006, als ihm der frisch gewaschene Ministerpräsident Romano Prodi eine lange Nase vorsetzte, schien Silvio Berlusconi wie vom Erdboden radiert. Schon frohlockten Kritiker, der mit 1,64 Meter größte Zwerg seit Napoleon habe vom schwarzen Apfel gekostet. Weit gefehlt: Kaum dass jetzt sein Erbfeind Prodi vom Stuhl gefallen ist, ist Berlusconi entschlossen, erneut Führer des Stiefels zu werden.

Das Zeug dazu sitzt ihm wie angegossen: Berlusconi hat mehr Geld im kleinen Finger als manche ausgewachsene Staaten und ist doch ein Machthaber nach dem Schnabel des kleinen Mannes; er gestaltete Recht und Gesetz getreu seiner Hutschnur und ist zugleich ein Magier unbefleckter Selbstdarstellung. In seiner bei Mailand gelegenen, aus Elfenbein errichteten Villa, aus deren Fenstern der Blick über einen duftenden Park schweift, in dem sich goldene Hirsche an versilberten Teichen laben, thront der Götterliebling der Apenninhalbinsel gern an seinem riesigen, aus poliertem Sauriergebein gefertigten Schreibtisch und verkündet in einen seiner Fernsehsender hinein: "Das alles habe ich ganz allein mit meinen Händen erarbeitet. Dafür danke ich euch, liebe Italiener!"

Berlusconi versteht es, sich ins passende Bild zu rücken. Fürs Fernsehen hat sein Kameramann stets einen Damenstrumpf über die Linse zu ziehen, um ihn in wärmeres Licht zu tunken. Auch liebt der kleine Gigant 30 Zentimeter hohe Absätze, schiebt sich bei Banketts fette Sitzkissen unter oder setzte sich, wenn keins zur Hand war, auf einen seiner Minister. Auch international machte er bella figura: Beim G-8-Gipfel in Genua ließ er an die nackten Zitronenbäume Früchte knüpfen und, als es abends bewölkt war, eine künstliche Sonne prachtvoll am Horizont zerplatzen. Bei einem Russland-Nato-Treffen in Practica di Mare ließ er aus Styropor die römische Antike nachbauen und in der Grube des Sitzungssaals zwei, drei Mitarbeiter den Löwen vorwerfen, um alle Zweifel an der Echtheit auszuräumen.

Berlusconi war in der Welt beliebt; er riss Witze, führte Taschenspielertricks vor und vergrößerte bei jedem Staatsbesuch seine Geldbörsensammlung. Alle Welt freute sich, in ihm das Italienklischee vom fröhlichen Ganoven, der vorne lacht und einen hinten übers Ohr haut, mit prallem Leben gefüllt zu sehen. Doch Berlusconi ist kein Kleinganove. Er ist ein großer Unternehmer und Staatsmann, der es aus dem Mutterleib bis in den Regierungssessel schaffte. Just sein Däumlingsformat aber war es, das den Willen zur machtvollen Größe zum Überkochen brachte.

Als winziger Sohn eines Bankangestellten wird er 1936 geboren. Wenig größer geworden, studiert er Jura, um sich mit allen Tricks vertraut zu machen, und jobbt auf Musikdampfern als kleiner Entertainer, der sich nicht zu schade ist, als Kaninchen im Hut Platz zu nehmen. Unterhaltung ist Opium für das Volk, begeistert sich Berlusconi; aber zunächst lernt er in einer Baufirma die ehrenwerten Seiten des Geschäftslebens, stellt sich dann auf eigene Füße, die ihm näher sind als anderen Leuten, und zieht Trabantenstädte hoch in die Luft. Um deren Insassen bei Laune zu halten, baut er - "Unterhaltung ist Fernsehen für das Volk" - Kabelsender auf; und heute lenkt er ein dickes Imperium von 150 Firmen der Baubranche und der Medienwelt nebst Zubehör aus Banken und Versicherungen. 1986 - "Unterhaltung ist Fußball für das Fernsehen" - kaufte er sich sogar den AC Mailand und hatte Italien damit im Kasten.

Doch zu Beginn der Neunzigerjahre drohte das Land aus den Latschen zu kippen. Das alte Parteiensystem wurde hinweggefurzt, die Mafia von der Justiz Person für Person abgepflückt. Auch Berlusconi geriet auf den Kieker: schiefe Steuererklärungen, krummes Geld an Parteien, poröse Aussagen vor Gericht und Mitgliedschaft in der Mörderloge P2, so die Vorwürfe bis heute. Viermal wurde er zum Kerker bestimmt, in zweiter Instanz aber freigesprochen, weil die Delikte verjährt waren und Berlusconi also unschuldig war.

Um am Ende nicht doch gesiebte Luft zu atmen, beschloss Berlusconi, den Staat bei den Hufen zu packen und der Justiz mit einem politischen Masterplan in die Suppe zu pinkeln. Der Maestro zauberte eine eigene Partei aus dem Jackenärmel, die "Forza Italia", einen firmenähnlichen Verein ohne Programm, Parteitage und Vorstandswahlen, aber mit Berlusconi, ließ durch Fanklubs des AC Mailand überall in Italien die passenden Ortsvereine gründen und befahl Drückerkolonnen, Schlipse und Wimpel an Leute zu verschenken, die keine Schlipse und Wimpel brauchten, aber sich darüber freuten. Damit siegte die Forza sogleich.

Berlusconi wurde 1994 und 2001 zum Ministerpräsidenten gekrönt, kastrierte das unbotmäßige staatliche Fernsehen, kupierte die Staatsanwälte und schützte sich durch Sondergesetze vor Halsschrauben und Daumeneisen. Wenn er im April erneut die Hebel der Macht erstürmt, wird er sie aber für Romano Prodi wieder einführen - es sei denn, Italien raucht Berlusconi endlich in der Pfeife. Klein genug wäre er.

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kari

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