Björndalen ist Star der Biathlon-WM: Sucht nach Perfektion

Der Norweger Ole Einar Björndalen hat in Östersund schon drei Medaillen gewonnen. Er ist ehrgeizig und kauzig: Aus Angst vor Bakterien gibt er niemandem die Hand.

Hat immer einen Privat-Staubsauger dabei: Björndalen. : dpa

ÖSTERSUND Einige Östersunder Gastronomen hatten unter der Woche schon geklagt: Was das denn für eine Weltmeisterschaft sei, bei der sie erst mit den lokalen Behörden um eine Stunde längere Öffnungszeiten streiten müssen, um dann doch kaum mehr Gäste als sonst zu haben. Inzwischen aber atmen die Kneipenwirte und Restaurantbetreiber am vereisten Storsjön-See auf: Das zweite WM-Wochenende ist da - und mit ihm die Horden norwegischer Biathlon-Touristen, die in Östersund eingefallen sind.

Zur Sicherheit haben die Menschen aus dem Nachbarland in den Lokalitäten der schwedischen WM-Stadt schon Tage im Voraus Tische reservieren lassen. Lange Tische, auf die ganz viele Biergläser passen, mit denen die Norweger nun auf Ole Einar Björndalen anstoßen wollen. Jenen eigenbrötlerischen Kerl aus dem Dörflein Simostranda im Süden Norwegens, der die Skijägerszene seit einem Jahrzehnt fast nach Belieben beherrscht.

Der 34-jährige Ausnahmeathlet wird die örtliche Wirtschaft also noch einmal für zwei Tage ankurbeln - dabei erweist sich der Mann auch im eigenen Team manchmal als Wohltäter auf Zeit. So griff er dem Kollegen Emil Hegle Svendsen vor zwei Jahren unter die Arme, als der vor Saisonbeginn ohne Geldgeber dastand. "Einer meiner Sponsoren hat ihn damals unterstützt", erzählte Björndalen am Donnerstagabend, nachdem der zwölf Jahre jüngere Svendsen auf der klassischen 20-km-Strecke ihm sogar die Goldmedaille weggeschnappt hatte. Björndalen komplettierte mit Silber allerdings den norwegischen Doppelsieg.

"Eine kleine Firma, die mit Fisch handelt", sei das gewesen, berichtete Björndalen in seiner professionellen, distanzierten Art. Aber nach einem Jahr sei die Finanzierung auch schon wieder gestoppt worden. Warum? "Emil", erklärt sein einstiger Förderer, "hat jetzt einen großen Namen. Da müssen Sponsoren schon viel Geld auf den Tisch legen." Wohl zu viel Geld für einen kleinen Fischereibetrieb.

Denn Svendsen wird nicht erst seit seinem ersten WM-Titel eifrig als Björndalen-Nachfolger gepriesen. Das mit dem sportlichen Erbe wird aber schon deshalb schwierig, weil Ole Einar Björndalen die Skijägerei nicht so rasch aufgeben wird. Die Olympischen Spiele in der Großstadt Turin vor zwei Jahren haben ihm zwar nicht sonderlich behagt. Trotzdem wird der Titelsammler, der sich für ein intimeres Olympia 2018 in der norwegischen 50.000-Einwohner-Stadt Tromsö starkmacht, bei den Winterspielen 2010 in der Großstadt Vancouver mit von der Partie sein. Sogar mit seiner dann sechsten Olympiateilnahme 2014 im russischen Sotschi liebäugelt er bereits ernsthaft.

Ole Einar Björndalen wird dann 40 sein. Aber was soll er machen? Wenn Gold behängte Frauen wie Kati Wilhelm oder Andrea Henkel gerade nach olympischen Wintern verzweifelt nach frischer Motivation suchen, trainiert Perfektionist Björndalen munter weiter - und zwar den ganzen Sommer über. Er engagierte auf eigene Kosten einen persönlichen Schießspezialisten, arbeitet seit zehn Jahren mit dem Mentaltrainer Oyvind Hammer zusammen, der von Haus aus eigentlich Staubsaugerverkäufer ist, tüftelt unentwegt an allen erdenklichen Details herum - und kommentiert den ganzen Aufwand wenig überraschend: "Für mich ist das wie eine Sucht."

Eine Abhängigkeit nicht allein vom Biathlon, sondern vom Sport allgemein. Um sich seine Vielfältigkeit zu beweisen, ging Björndalen im Herbst 2006 sogar fremd. Der Spross einer einfachen Bauernfamilie ("Neun Kühe, fünf Kinder") startete damals beim Langlauf-Weltcup in Gällivare, siegte prompt über die Spezialisten und erklärte: "Das war ein Traum für mich."

Und ein Alptraum für die Konkurrenz. Inzwischen konzentriert sich Björndalen aber wieder voll auf Biathlon, hat in Östersund bei drei Starts schon wieder drei Medaillen (je einmal Gold, Silber und Bronze) gewonnen und könnte mit seinen bislang zehn WM-Titeln am Wochenende Frank Luck und Alexander Tichonow (jeweils elf Siege) einholen. Oder überflügeln. Zwei Gelegenheiten dazu hat Björndalen - am Samstag mit der norwegischen Staffel und am Sonntag beim abschließenden Massenstart. Dabei begeistert sich der Ehemann der Biathletin Nathalie Santer-Björndalen im Grunde weniger für die Anzahl seiner Erfolge. Sondern vor allem dafür, wie sie zustande kommen. Denn dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen: Aus Angst vor Bakterien meidet Björndalen im letzten Monat vor Saisonbeginn Flughäfen, hat stets den eigenen Staubsauger im Gepäck und schüttelt niemandem die Hand.

Das mit dem Staubsauger hat er sich bei den Spezialisten abgeschaut. "Wir Langläufer und Biathleten sind wohl ein bisschen krank im Kopf", sagt der fünffache Olympiasieger, der in Östersund im topmodernen Rennanzug daher kommt. Das Textil des norwegischen Teams ist der neueste Schrei auf dem Markt und so körperfreundlich, dass Björndalen schwärmt: "Bis sieben Grad minus kann ich problemlos ohne Unterwäsche laufen."

Ob er denn nun der nächste Ole Einar Björndalen werde, wurde Emil Hegle Svendsen am Donnerstag gefragt. Und geantwortet hat der junge Mann: "Ich bin froh, hier eine Woche mit Ole zusammenzusein. Aber ich glaube, ich sollte ihn nicht kopieren."

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