Kommentar Pariser Streiks: Grandiose Selbstermächtigung

Beschäftigte aus Niedriglohnländern sind für ihre Rechte auf die Straße gegangen - und haben dadurch die gesamte französische Gesellschaft bereichert.

Die moderne Sklaverei, auf die afrikanische Tellerwäscher in Paris mit ihrem Streik ein Schlaglicht geworfen haben, ist kein Einzelfall. Sie wiederholt sich quer durch die Küchen, Reinigungsunternehmen, Großbaustellen und Pflegeeinrichtungen des Kontinents. Ganze Wirtschaftsbranchen funktionieren mit papierlosen Beschäftigten aus den Niedriglohnländern der Welt. Fast nie trauen diese sich, vor Arbeitsgerichten oder mit Streiks und Demonstrationen gegen ihre Behandlung zu protestieren. Denn permanent sitzt ihnen eine Angst im Nacken: entdeckt und abgeschoben zu werden.

Vor diesem dramatischen Hintergrund ist der Streik in der "Grande Armée" eine Erfolgsgeschichte. Sowohl für die Afrikaner, die ihn mit großem persönlichen Risiko geführt haben, als auch für die Bürgerinitiative "Droits devant" und die Gewerkschaft CGT, die ihn unterstützt haben. Die Streikenden selbst haben sich von der erdrückenden Rechtlosigkeit befreit. Ihre Emanzipation geschah nicht erst, als sieben der neun Streikenden Aufenthaltspapiere bekamen. Sondern sie fand statt, als die Männer beschlossen, ihre eigene Geschichte in die Hand zu nehmen. In jenem Augenblick haben sie die Identität gewechselt. Zuvor waren sie namen- und geschichtslose Boatpeople. Jetzt sind sie Individuen, die sich in der Gesellschaft des Landes, in dem sie leben und arbeiten, engagieren. Die ihre Rechte kennen. Und für sie eintreten.

Diese Emanzipation hat nicht nur individuelle Bedeutung. Sondern sie ist das Beste, das einem Einwanderungsland passieren kann. Sie ist eine Integration mit zivilgesellschaftlichen und politischen Mitteln. An diesem Punkt kreuzen sich die Interessen der papierlosen Beschäftigten mit denen der Gewerkschaften. Wenn Gewerkschaften glaubwürdig das Postulat nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit einlösen wollen, müssen sie darauf bestehen, dass alle Beschäftigte legale Existenzen haben: sowohl gegenüber dem Boss, für den sie arbeiten, als auch gegenüber dem Land, in dem sie leben. Deswegen können die UnterstützerInnen des Streiks in der "Grande Armée" anderswo in Europa als Vorbild dienen. DOROTHEA HAHN

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