Boomende Basisdemokratie: Bürger reden gerne mit

Basisdemokratie kommt bei den Deutschen gut an, meldet der Verein Mehr Demokratie. Bundesweit wurden 4.500 Bürgerbegehren organisiert.

40 Prozent aller Anliegen erfolgreich: Bürgerinitiative in Bremen gegen Autobahn 281 Bild: dpa

Wer in einer Wahlkabine sein Kreuzchen kritzelt, kann damit seit einigen Jahren nicht nur über Parteien und Politiker entscheiden, sondern auch in Sachfragen. Und immer mehr BürgerInnen wollen genau das, lautet das Fazit eines Bürgerbegehrensberichts, den der Verein Mehr Demokratie am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

4.500 Mal haben BürgerInnen sich bundesweit durch ein Bürgerbegehren oder einen Bürgerentscheid in die Politik eingemischt, seitdem es diese basisdemokratischen Instrumente gibt. In fast 40 Prozent aller Fälle hatten die Initiatoren mit ihrem Anliegen Erfolg. Die meisten Bundesländer haben erst im Laufe der Neunzigerjahre den Weg für mehr Bürgerbeteiligung freigemacht.

Die Zahlen zeigten, "dass die Bürger sich mehr direkte Demokratie wünschen", sagte der Vorstandssprecher von Mehr Demokratie, Gerald Häfner, am Dienstag in Berlin. Er beklagte aber zugleich, dass die Hürden, die Politiker und Verwaltungsbeamte vor Bürgerbeteiligungen aufgetürmt hätten, vielerorts zu hoch seien.

So seien in vielen Bundesländern zu viele Themen von vornherein von direkter Demokratie ausgenommen. Nordrhein-Westfalen und vier andere Bundesländern schlössen etwa die Bauleitplanung von Bürgerbegehren aus. Dies führe dazu, dass BürgerInnen dort niemals darüber entscheiden dürften, ob und wo ein neues Einkaufszentrum oder eine Schnellstraße entstehen soll. Häfner nannte das eine "Anmaßung der Politik gegenüber den Bürgern" und forderte die ersatzlose Streichung aller Themenausschlüsse.

Weiterhin seien die Mindestbeteiligungsquoren, die an den Erfolg von Bürgerbegehren oder -entscheiden geknüpft seien, oft zu hoch. Eigentlich erfolgreich durchgeführte Bürgerentscheide würden so im Nachhinein noch gekippt, weil zu wenige BürgerInnen an die Wahlurnen gegangen seien. Häfner bemängelte, dies sei eine "Prämie für Abstinenz" und plädierte dafür, die Quoren vor einem Bürgerbegehren als "Filter" zwar zu erhalten, den Erfolg oder Misserfolg eines Bürgerentscheids selbst aber nicht mehr an eine Mindestbeteiligung zu knüpfen. Er nannte außerdem die Information der Bürger im Vorfeld von Begehren "vielerorts stark verbesserungswürdig". Professor Theo Schiller von der Universität Marburg, der den Bürgerbegehrensbericht wissenschaftlich begleitet hatte, stellte heraus, dass - anders als von einigen Kritikern befürchtet - die Stärkung der Bürgerbeteiligung die Politik in den Gemeinden nicht ineffizienter gemacht habe. Direktdemokratische Verfahren seien oft sogar Auslöser, um "politische Entscheidungen nochmals zu überdenken und ihren Nutzen für die Allgemeinheit kritisch zu prüfen."

Dass konservative Parteien, die mehr direkte Demokratie einst abgelehnt hatten, Verfahren der Bürgerbeteiligung heute verstärkt selbst nutzen, fand Michael Efler vom Bundesvorstand der Basisdemokratielobbyisten "ganz wunderbar."

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