Politisch korrekter Rap: "Zeigt Respect denn das börnt"

Die Grünen wollen es besser machen: Statt immer nur über böse Rapper zu reden, laden sie echte Jungs aus Problembezirken in ein Kreuzberger Jugendzentrum ein. Die sollen Texte ohne Beschimpfungen zum Thema Respekt verfassen. Am Ende stellen alle fest: Es gibt noch viel zu tun.

Mit Bushido fing es an: Nach seinem umstrittenen Konzert am Brandenburger Tor organisierten die Grünen den Respekt-Rap. Bild: AP

Steve weiß über die Grünen etwa genauso wenig wie die Grünen über ihn. Das ist eine Partei, sagt Steve. Das ist einer der Jugendlichen aus einem dieser sogenannten Sozialbrennpunkte, denken die Grünen. CDU ist schwarz, SPD ist rot und die Grünen sind grün, sagt Steve. Mehr kann er da jetzt nicht zu sagen. Wegen der Grünen ist er auch nicht aus Neukölln in die "Naunynritze" gekommen, das Jugendzentrum in der Nähe vom Kreuzberger Oranienplatz. Er will rappen. Die Grünen wollen ihm dabei zuhören.

Das ist ganz schön spannend, findet Clara Herrmann, weil sie damit ja Neuland betreten. Herrmann sitzt für die Grünen im Abgeordnetenhaus. Sie hat einen Ring in der linken Augenbraue, einen zotteligen Zopf, ist ziemlich klein, Anfang zwanzig und jugendpolitische Sprecherin. Mit dieser Rap-Sache fing das eigentlich am Brandenburger Tor an, sagt sie, als die Bravo dort ein riesiges Konzert gegen Gewalt veranstaltete und Bushido auftreten ließ. Der die Gelegenheit gleich nutzte, um ein bisschen gegen Schwule zu pöbeln.

Die Grünen haben erst mal öffentlich dagegen protestiert und dann intern sehr viel diskutiert. Recht kontrovers auch, sagt Herrmann. Kunstfreiheit versus Minderheitenschutz. Sie haben sich ein bisschen in die Materie eingearbeitet und festgestellt, dass Hiphop viel mehr sein kann als Gangsta-Rap. Wahnsinnsvielfalt, Multikulti, echt fair auch alles bei den Battles und Contests.

Statt also wie andere Politiker zu fordern, dass der böse Gangsta-Rap verboten wird, wollen sie den guten Respekt-Rap fördern. Deshalb veranstalten sie an diesem Nachmittag Workshops in einigen Hiphop-Disziplinen. Rap, Breakdance und Graffiti. Sie haben mit verschiedenen Initiativen kooperiert und junge Leute aus Neukölln, Wedding und Kreuzberg eingeladen.

Jetzt hat sich Clara Herrmann mit ein paar Kollegen in einer Reihe auf eine kleine Holzbühne gestellt. Sie erklären Steve, seinem Kumpel Jeremy und einer Hand voll anderen, worum es gehen soll. Warum sie sich "in die Höhle des Löwen" gewagt haben, wie Özcan Mutlu, der bildungspolitische Sprecher, das ein bisschen ironisch nennt. Im Grunde sei es hier ja sowieso viel friedlicher, als "die Presse" immer tue. Eine Diagnose, die von den großen, breiten Männern in den dunklen Security-Jacken nur begrenzt gestützt wird, die die ganze Zeit durchs Haus streifen.

Das Prinzip der Grünen ist das der Betriebsbegehung: Politiker setzt Bauhelm auf und redet "nicht immer nur über, sondern auch mal mit". Grüne treffen auf Jugendliche aus Problembezirken. Was dabei herauskommt, könne hier wie da vielleicht "in die Politik einfließen". Weil das jedoch etwas abstrakt klingt, gibt es konkretere Anreize: Die Platten, welche die beiden Teilnehmer des Graffiti-Workshops draußen im Hof gleich mit den Buchstaben R, e, s, p, e, k und t besprühen, werden beim Rapn-Respect-Konzert der Grünen am 23. Februar auf der Bühne stehen. Auf dieser Bühne werden auch einige der sieben Teilnehmer des Rap-Workshops auftreten.

Die lehnen zunächst etwas verschüchtert an den Heizkörpern des Tanzsaales im ersten Stock. Hinter ihnen spiegelt sich die Nachmittagssonne in den Scheiben des gegenüberliegenden Hauses. Eine graue Fassade, viele Satellitenantennen. Die perfekte Kulisse für grüne Sozialbrennpunkt-Erkundungen.

Aus den großen Boxen in der Ecke dringen die ersten Beats. Steve und Jeremy nicken vorsichtig mit dem Kopf. "Yeah, äh", sagt Feik ins Mikro, "Ich rapp ma kurz was vor." Er ist 19, heißt eigentlich Fatih und leitet den Workshop. Seine Nike-Schuhe tippen auf das Parkett, der Oberkörper bewegt sich von links nach rechts. Die ersten Zeilen handeln davon, dass er heute keine Ausdrücke benutzen darf, dass das aber auch anders geht. Feik reicht das Mikro weiter. Steve hält es kurz in der Hand und gibt es dann wortlos ab.

Freestyle ist nicht so sein Ding. Er schreibt seine Reime immer erst auf. Das allerdings sehr oft. Sein Leben fasst der 17 Jahre alte Neuköllner in einem Satz zusammen: "Eigentlich nur rappen und gelegentlich im Internet Faxen machen." Zusammen mit Jeremy, der zwei Jahre jünger ist und noch zur Schule geht, hat er gerade an dessen Computer Liebeslieder aufgenommen. Jeder eins, für ihre neuen Freundinnen. Steves Freundin ist die Freundin von Jeremys Freundin. So hat sich das ergeben, beide aus Königs Wusterhausen, im Chat kennengelernt.

Steves Hosenbeine sind über den weißen Sportsocken zusammengeschnürt. Er hat vor kurzem seinen Hauptschulabschluss gemacht und muss sich jetzt um eine Lehrstelle kümmern. Irgendwas Handwerkliches. Vielleicht Maler- oder Lackierer. Das waren einige seiner Vorbilder wie Fler und Bushido schließlich auch einmal.

Wie etliche andere Berliner Jungs veröffentlicht Steve die Stücke, die er bei seinem Kumpel Jeremy in den Rechner rappt, nicht einfach so auf der Musikplattform myspace. Er gehört zu einem dieser Kleinstlabels, von denen es hunderte gibt. Viele seiner Freunde sind Araber, sagt er. Manchmal fährt er zum Saufen nach Alt-Glienicke. Meistens trinken sie alles durcheinander. Am häufigsten Sangria, die ist billig und knallt gut.

Jetzt sitzt Steve auf dem Parkettboden, vor ihm ein weißes Blatt, und findet das alles nicht so einfach. Ohne Ausdrücke. Eigentlich sind Schimpfwörter die Grundzutaten seiner Texte. Und nun also 16 Zeilen zum Thema Respekt.

Er muss eine ganze Weile überlegen, dann steht Folgendes auf seinem Zettel: "Hier herrscht Waffenschieberei und sinnlose Gewalt / doch ich sage euch, mich lässt das kalt / Versucht es mal ohne Gewalt in Texten / ey Leute passt auf, ich fang gleich an mit flexxen! / Save the humans in the world, zeigt Respect denn das börnt."

Der versöhnliche Text passt viel besser zu diesen schmalen, netten Jungs hier als die Pöbel-Lieder auf ihren myspace-Seiten. Eine ziemliche Krankheit, sagt Feik, der Workshop-Leiter, seien diese "Diss-Tracks". Ein Trend, den das Sido-Label AggroBerlin groß gemacht hat, glaubt er. Jeder Kleinstrapper denkt nun, wenn er Stücke produziere, in denen er andere angreift, werde er berühmt und verdiene die große Kohle. Völliger Blödsinn. Weiß Feik aus eigener Erfahrung. Er kennt einige, die im Kiez bekannt geworden sind. Kohle macht von denen keiner.

Auch Jeremy hat sich im Diss-Track-Genre versucht. Deshalb fehlt ihm jetzt ein Stück Schneidezahn. Fünf Pöbel-Stücke hatte er gegen einen gewissen Pablo veröffentlicht. Unter anderem sagt er da: "Ihr seid nur zwei Hurensöhne und ihr spuckt große Töne, Pablo sein kleiner Schwanz zeugt keine Söhne." Nach dem fünften Track hat ihn Pablos Gang "in einen Hinterhalt gelockt", erzählt er. In einer dunklen Ecke durfte er sich aussuchen, gegen wen er antreten wollte. Als er dann am Boden lag, hat ihm sein Gegner noch ins Gesicht getreten, da ist das mit dem Zahn passiert. "Sonst eigentlich nichts", sagt Jeremy. Steve sagt, wenn ihm einer nach einem Diss-Track-Gefecht aufs Maul haut, weiß er, dass er gewonnen hat: "Mit Worten konnte der sich dann nicht mehr wehren."

Das wäre sicher alles auch für die Grünen ganz interessant, die ja heute zuhören wollen. Allerdings sitzen sie vorerst vorwiegend im Erdgeschoss, wo Thomas Birk, der lesben- und schwulenpolitische Sprecher, ein bisschen enttäuscht ist, dass nur knapp zwanzig Leute gekommen sind. Vielleicht sogar ein paar weniger. Gleich werden die Jugendlichen aus den Workshops vortragen, was sie oben geübt haben. Einige werden sagen, dass sie sich gerne noch mal ausführlicher mit den Grünen unterhalten wollen. Und die Grünen werden versprechen, dass sie schauen, ob sich nicht mehr solcher Angebote einrichten lassen.

"Ich wohne in dem Bezirk den jeder kennt / denn es ist der in dem jeder um sein Leben rennt / Damit so etwas nicht von Dauer bleibt / rap ich hier für Respect ist das nicht Tight", hat Steve aufgeschrieben. Und auch ein paar tröstende Töne für die Grünen eingebaut, die sich mehr Teilnehmer gewünscht hätten: "Diese Veranstaltung repräsentiert alles Gute / ihr schafft es weil ich es euch zumute." Vielleicht schafft er es ja auch.

Rapn Respect - Hiphop für Anerkennung, Samstag, 23. 2., 19 Uhr, Aqua, Lobeckstr. 31, Kreuzberg.

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