Stillstand statt Aufbruch: Kongo setzt auf China

Ein Jahr nach Amtsantritt einer gewählten Regierung hat sich in der Demokratischen Republik Kongo das Leben nicht verbessert. Hoffen lassen nur die Investitionen aus China.

Die meisten Menschen im Kongo leben vom Schwarzmarkthandel. Bild: dpa

KINSHASA taz Wer regiert in der Demokratischen Republik Kongo? Die Antwort müsste einfach sein: Seit einem Jahr baut eine gewählte Regierung mit internationaler Hilfe das von Diktatur und Krieg zerstörte Land wieder auf. Es müsste Aufbruchszeit sein. Aber fragt man in der Hauptstadt Kinshasa, was sich geändert hat, herrscht Schweigen. "Es funktioniert nichts", sagt eine Staatsangestellte, die seit einem Jahr auf die Umstrukturierung ihrer Behörde wartet. "Wir leben von Tag zu Tag. Wer einen Job hat, kommt halbwegs klar, aber die anderen haben nichts." Und das ist die Mehrheit der 6 Millionen Hauptstädter.

Es gibt noch seltener Strom in Kinshasa als vor den Wahlen, jetzt gibt es auch kein Wasser mehr. Pausenlos ist offiziell von Reformen und internationalen Geldzuflüssen die Rede. Aber bei den Menschen kommt nichts an. "Die Mafia ist an der Macht, diesmal demokratisch legitimiert", schimpft ein Mitglied der Provinzregierung von Kinshasa. "Wenn es 2 Millionen Dollar für Straßenreparaturen gibt, trifft sich der Verantwortliche mit seinen Freunden und sagt: 'Du bist jetzt eine Baufirma, du ein Consultingbüro', und so weiter. Sie gründen zehn Scheinfirmen, von denen jede 200.000 Dollar kriegt, behalten zehn Prozent für sich, und das Geld reicht dann gerade, um ein paar Straßen aufzugraben und Baustellen einzurichten. Beim nächsten Regen schwimmt alles weg, und die 2 Millionen sind ausgegeben."

Firmen, die Arbeitsplätze schaffen, sind wie Leuchttürme. Auf einem früheren Busdepot, wo einst ein Künstleratelier stand, hat die neue Industriebäckerei "Pain Victoire" eröffnet. Auf deren Lastwagen hält ein Schwarzer mit Micky-Maus-Gesicht Baguettes hoch. Der Betrieb boomt. Vor den weißen Firmenmauern wuseln Dutzende Händler umher: In komplizierten Ketten wandern Brote aus der Fabrik nach draußen, an Kleinhändlerinnen und Straßenverkäufer, umgeben von Hunderten, die warten, dass für sie ein Brötchen abfällt. Von Kinshasas informeller Wirtschaft leben 90 Prozent der Bevölkerung.

"So einfach ist das: Die Leute haben nichts zu essen", analysiert ein zivilgesellschaftlicher Aktivist. An Proteste oder die Opposition glaubt aber in Kinshasa niemand. Die existierenden Oppositionskräfte sind diskreditiert, die Menschen mit dem Überleben beschäftigt. "Wenn Kabila es schafft, die Leute zu bezahlen, kann er hundert Jahre Präsident bleiben", meint ein Kleinunternehmer.

Doch die Regierung nutzt ihre Chance nicht. Ihre Minister schweigen. Der greise Premier Antoine Gizenga, letzter überlebender Aktivist der Befreiungsgeneration der 60er-Jahre, sagt nie etwas. Der publikumsscheue junge Präsident Joseph Kabila, der Gizengas Enkel sein könnte, ist zuletzt so tief abgetaucht, dass die Regierungspartei sich genötigt sah zu erklären, es gehe ihm gut. Was erst recht Gerüchte anheizte, Kabila habe ein Attentat knapp überlebt oder werde unter Verschluss gehalten, damit er keinen Blödsinn mehr anrichtet.

Damit meinen radikale Kabila-Anhänger das Friedensabkommen, das er unter internationalem Druck am 23. Januar mit den Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda schloss. Nkundas Rebellion CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) ist heute die stärkste Kraft in den Kivu-Provinzen im Osten des Landes. Nachdem sich die Regierungsarmee im Dezember gegen Nkunda in Nord-Kivu eine blutige Nase holte, wurden ein Waffenstillstand, eine Amnestie für die Rebellen und ein neuer Anlauf zur Bildung einer gemeinsamen Armee vereinbart. Doch inzwischen haben die Rebellen die Umsetzung des Abkommens wieder aufgekündigt. Ein neuer Krieg ist aber unwahrscheinlich, denn die Regierung hat im Osten gar keine Armee mehr. "Die UN-Blauhelme halten die Sicherheit aufrecht, sonst niemand", sagt ein Diplomat.

Eine Hoffnung bleibt: China. "Wenn erst die Chinesen kommen" ist ein häufig geäußerter Satz in Kinshasa, so wie man früher auf die Zeit nach dem Krieg oder den Wahlen hoffte. Die großen Kreditverträge, die Kongos Regierung in den letzten Monaten mit chinesischen Staatsfirmen über den Wiederaufbau der kongolesischen Infrastruktur im Austausch für Bergbaukonzessionen unterschrieben hat, wecken die Fantasie. Aber noch ist das Zukunftsmusik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.