piwik no script img

Popstar-Diva gegen türkischen MilitarismusKriegskritik in Castingshow

In der türkischen Version von DSDS kritisierte die populäre Sängerin Bülent Ersoy die Kriegstreiberei ihrer Regierung. Bisher ein Tabuthema, nun kursiert das Video auf YouTube.

Keine Angst vor Skandalen: Bülent Ersoy. Bild: reuters

Für ein Spektakel war Bülent Ersoy schon immer gut. Doch nun hat der größte transsexuelle Superstar der Türkei eines der größten Tabus angekratzt, das in der Türkei noch etwas gilt, und den aktuell wieder grassierenden Militarismus in Frage gestellt. In einer Live-Sendung der populären TV-Casting-Show "Popstar Alaturka" - vergleichbar mit "Deutschland sucht den Superstar" - kam es zum Schlagabtausch zwischen ihr und der Popsängerin Ebru Gündes, die für ihre nationalistische Haltung bekannt ist.

Während im Hintergrund die türkische Fahne auf einer Großbildleinwand flackerte, bekannte Bülent Ersoy: "Wenn ich einen Sohn hätte, würde ich ihn niemals in die Armee schicken, denn für was sterben sie dort? Für nichts!" Ihre Kollegin Ebru Gündes warf kühl ein, sollte sie einen Sohn bekommen, so würde sie ihn selbstverständlich in die Armee schicken, zur ruhmreichen Verteidigung des Vaterlands! Woraufhin Bülent Ersoy schnippisch konterte: "Und dann kriegst du ihn als Leiche zurück."

Dieser Dialog zur besten Sendezeit schlägt kräftig Wellen, zumal der Clip jetzt auf YouTube kursiert. In den Online-Leserforen türkischer Zeitungen wie Hürriyet brach ein Sturm der Entrüstung los; ein berüchtigter Staatsanwalt hat Ersoy wegen "Verunglimpfung des Militärs" angezeigt. Andere dagegen können ihre Freude über die klaren Worte nicht verhehlen. Denn während das türkische Fernsehen tagtäglich Bilder von jungen Soldaten in feschen Uniformen zeigt, die jenseits der Grenze im Nordirak auf die PKK Jagd machen, wagte es Bülent Ersoy nicht nur, den Sinn der Aktion zu bezweifeln. Sie kritisierte auch die "abgedroschenen Phrasen" und den Heldenkult der Armee.

Bülent Ersoy ist eine der schillerndsten Figuren der türkischen Popszene. 1952 in Istanbul als Junge zur Welt gekommen, stieg Bülent Ersoy schon in den Siebzigerjahren zu einem der beliebtesten Interpreten der getragenen türkischen Kunstmusik auf. 1980 unterzog sich Ersoy in London einer Geschlechtsumwandlung und wurde daraufhin vom General Kenen Evren, dessen Junta sich gerade an die Macht geputscht hatte, mit einem Auftrittsverbot belegt. Diese acht Jahre verbrachte Ersoy in Deutschland. Nach ihrer Rückkehr in die Türkei konnte sie nahtlos an frühere Erfolge anknüpfen.

Heute ist die füllige Diva eine der beliebtesten Sängerinnen der Türkei und gehört zum Jury-Inventar der Casting-Show "Popstar ala Turca" wie Dieter Bohlen in Deutschland. Zuletzt sorgte sie dort im vergangenen Jahr für einen Skandal, als sie einen 30 Jahre jüngeren Teilnehmer der ersten Casting-Staffel heiratete. Von dem ist sie inzwischen wieder geschieden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • SS
    Sebastian Sönksen

    da stimmt etwas mit YouTube nicht, der Film ist auch von einem Mitglied, das sich angeblich vor einem Jahr angemeldet hat. Heute vor einem Jahr war aber Oktober 2006 längst vergangen..

  • TM
    t. mueller

    scheint ja nicht besonders aktuell zu sein, wenn das video vom oktober 2006 ist.