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Kommentar LinksparteiWas nach dem Protest kommt

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei bindet im Westen, wie die PDS im Osten in den 90ern, Teile der autoritätsfixierten Unterschicht ins demokratische System ein. Eine zivilisatorische Leistung.

Links lesen, Rechts bekämpfen

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

6 Kommentare

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  • LB
    Ludwig Berg

    Stefan Reinicke schreibt: "So bindet die Linkspartei im Westen, ... Teile der eher autoritätsfixierten Unterschicht in das demokratische System ein. ... Doch dies ist eine kaum zu überschätzende zivilisatorische Leistung."

     

    Was will das anderes heißen als: "Die Linkspartei schafft es, Rechtsgerichtete für ihre Politik zu gewinnen."

     

    Wie kommt das? Gibt es in den beiden, meines Erachtens gegenseitig künstlich am Leben gehaltenen politischen Richtungslagern, etwas, das einander verbindet? Vielleicht der gemeinsame Hang zu Intoleranz und dem Wunsch, anderen vorschreiben zu wollen, wie die Welt auszusehen hat.

     

    Gruß

    LB

  • H
    Heik

    Stefan Reinecke schreibt:

     

    "So bindet die Linkspartei im Westen [...] Teile der eher autoritätsfixierten Unterschicht in das demokratische System ein."

     

    Ich stimme dem Autor zu, dass die Linke den bestehenden Konflikt zwischen den alten, rückwärtsgewandten Staatsgläubigen und den jungen, visionären Spinnern bewältigen muss.

     

    Dennoch verstehe ich die oben zitierte Aussage nicht. Sind die Parteien der Besitzstandswahrer (also tendenziell alle anderen) nicht auch autoritätsfixiert? - Natürlich sind sie es, nur eben aus ihrer Sicht als Verteidiger des Status Quo. Bei der Gängelung der Verlierer des Schweinesystems kann es nach deren Auffassung gar nicht autoritär genug zugehen.

     

    Die Merkel-Regierung konstatiert einen Aufschwung, es dem STAAT (scheinbar) besser geht. Merkel betont, dass man mittelfristig (!) darüber nachdenken (!) muss, wie der Aufschwung bei den Menschen ankommen könnte. Ist das nicht staatsgläubig?

     

    Die Linke fordert, dass der Aufschwung bei den MENSCHEN ankommen muss. Scheinbar glauben die nicht nur an den Staat, sondern vor allem an Menschlichkeit.

     

    Ein Primat der Politik über die Wirtschaft ist ja schön und gut, wichtiger noch wäre das Primat der Menschlichkeit gegenüber dem System und angeblichen Funktions-Notwendigkeiten.

     

    Hier kommen die Linken ins Spiel, die wohl noch viel Überzeugungsarbeit vor sich haben, wenn es darum geht, den historisch bedingten und diskursiv gepflegten Antagonismus zwischen Staat und Privat endlich hinter sich zu lassen, der natürlich auch in dieser Partei die Hirne blockiert.

     

    Der Kommentar ist für diesen Prozess jedoch nicht hilfreich, zementiert er doch die alten Feindbilder und belegt die Linke EINSEITIG mit dem Etikett "autoritätsfixiert".

     

    Nach dieser Logik ist JEDER, der die Gesellschaft AUS SICH HERAUS, also demokratisch verbessern will, autoritätsfixiert. Die Alternativen wären Bürgerkrieg oder Anarchie - da kann man dann ja so richtig schön individuell drauf hauen.

     

    Nee, nee, nee... das war keine Glanzleistung.

  • BS
    Bernd Steppke

    Wenn man die Welt aus der Berliner Fersehsesselperspektive betrachtet, mag die Rolle Oskars so aussehen. Ohne Lafonatine wären die Linken nie im Westen über die 1%-Partei hinausgekommen, wenn er jetzt hinschmeissen würde, wären die Linken vielleicht noch eine 2% Partei im Westen.

     

    Nein, Oskar Weg einer eigenständigen und primär oppositionellen Linken ist richtig. Veränderungen schaffen die Linken zur Zeit wohl mehr aus der Opposition als in einer Regierung.

     

    Und dies ist letztlich auch konstruktive Politik.

  • WB
    Wulf Bieg

    Der Kommentar berücksichtigt nicht das Leben und Handeln Oskar Lafontaines, der sehr viel verantwortlich gestaltet hat und darin, wie jederzeit im Saarland zu überprüfen, sehr erfolgreich war. Die These von der Protestpartei, auch wenn das nun dauernd wiederholt wird, ist nur eins, nämlich falsch.

  • PB
    Peter Bies

    Nicht alle Ex-Grünen und frustrierten SPD-Wähler sind zu Haus geblieben. Ich habe zur Abwechslung das erste Mal in meinem Leben CDU gewählt.

    Ich hab' mir gedacht:

    Wenn die stinkbürgerlichen und privilegierten Besitzstandswahrer von der Hamburger GAL mit der CDU paktieren wollen, dann kann ich auch gleich das wertkonservative Original wählen. Hab' ich es bereut?

    Nein! Es fühlt sich sehr gut an!

  • TL
    Thomas Lukscheider

    Sehr geehrter Herr Reinecke,

     

    Sie betrachten die politische Entwicklung zu sehr aus der Opportunitäts-Perspektive. Was bringt kurzfristig Medienbeifall und Wählerstimmen ein. Das ist inhaltsfremd. In diesem sehr reichenund vermögenden Land gehen immer mehr Menschen vor die Hunde. Sie verdursten und verhungern wortwörtlich in Pflegeheimen, bekommen wegen Personalmangel, der Stechuhrtakte und Arbeitshetze nicht einmal mehr ein Midnestamss an Zuwendung.

     

    Ähnlich schlimm ist der Zustand in den finanziell ausgegrenzten Familien: 2,50 Euro pro Kind für Nahrung grenzt in einem derart reichen Land wie dem unseren an Bösartigkeit.

     

    Noch verurteilenswerter aber ist, dass Menschen systematsich jedes Selbstwertgefühl geraubt wird: das beginnt bei den armen pflegebürftigen Alten, reicht über die Zeitarbeits-Tagelöhner und Alleinerziehenden, die von der Hand in den Mund leben und nicht wissen, was das Morgen bringt, sie ihren Kinder Lebensfreude und Zukunftshoffnung vermitteln sollen, bis zu den Praktikanten, die von einem unterbezahlten Job zum nächsten gereicht werden.

     

    Und sie schwadronieren über pure Partei- und Machtkonstellationen. Sie schwelgen in einer Art Lauben-Macchiavelli für den wohlversorgten besserverdiendenen GRÜNEN und den taz-Leser aus dem Umfeld der grünen Bundesspitze.

     

    Wenn SPD, Union, FDP und GRÜNE die Augen verschliessen vor der Bildungs-, Job-, Pflegemisere ist es bitter notwendig, dass sie korrigiert werden.

     

    Eigentlich wäre das die Aufgabe eines unabhängigen Journalisten.

     

     

    Schönen Abend noch

     

    Ihr

     

    Thomas Lukscheider