Neue Reisedoku auf 3sat: Prinzip Genremix
Wer zuerst in Moskau ist, hat gewonnen: Die Reihe "1-2-3 Moskau" ist Doku, Soap und Show in einem. Ab April soll auf 3sat dann auch ein wirklich neues Format laufen.
W enn TV-Sender heute den Eindruck erwecken wollen, sie hätten sich etwas Neues ausgedacht, kombinieren sie einfach zwei erfolgreiche Rezepte, und heraus kommt dann, beispielweise, ein Coaching-Format, in dem viel gekocht wird. 3sat treibt das Genremix-Prinzip nun auf die Spitze: In der Reihe "1-2-3 Moskau. In 7 Tagen durch Osteuropa", die am Montag beginnt, finden sich Elemente aus den Bereichen Reisedoku, Dokusoap, Subkulturreport und Spielshow. Gekocht wird auch - wenn auch nicht lange.
Die Protagonisten des Fünfteilers sind Katrin Bauerfeind, zuletzt unter anderem Vertretungsmoderatorin des ARD-Magazins "Polylux" und demnächst Moderatorin eines 3sat-"Kulturzeit"-Specials, und der Musiker Henning Wehland (H-Blockx, Söhne Mannheims). Sie reisen auf unterschiedlichen Routen mit dem Auto nach Moskau und machen auf dem Weg in osteuropäischen Metropolen bei dortigen Kultur-, Mode- und Gastronomiegrößen Station. Wen sie wann wo treffen, erfahren sie kurzfristig per MMS. Dann gilt es zu improvisieren. Wer zuerst in Moskau ist, hat gewonnen.
"1-2-3 Moskau", das unter anderem "eine Antwort auf die herkömmliche, oft einseitige Berichterstattung" über Osteuropa sein soll, wie Autorin Irina Enders sagt, funktioniert in einer Hinsicht sehr gut: als Tour de force durch die Kulturszene des relativ nahen Ostens. Bauerfeind und Wehland sind keine klassischen TV-Reisereporter, keine onkelhaften Eingeborenenversteher, sondern auf natürliche Weise neugierig.
Sie treffen oft Musiker, deren Stücke dann für den Soundtrack genutzt werden. Das tut den halbstündigen Filmen sehr gut, zumal die Musik in Reisereportagen in der Regel ein Fall für die UN-Menschenrechtskommission ist. Eindrucksvoll klingt vor allem, was das litauische Bango Collective, dem Wehland in Folge zwei begegnet, zu bieten hat: eine Mischung aus Electronica, HipHop und Dub, die ihren Reiz nicht zuletzt der vom Suff gezeichneten Sprechgesangsstimme eines alten Mannes verdankt, der in einer Bruchbude in einer bedrohten Roma-Siedlung bei Vilnius lebt.
Trotz allem wirkt "1-2-3 Moskau" unfertig, die Genre-Elemente werden zu keiner Einheit. Der Wettbewerbscharakter etwa wird zwar immer wieder erwähnt, dürfte dem Zuschauer aber bald gleichgültig sein. Darüber hinaus ist es nicht zwangsläufig aufregend, Menschen dabei zuzusehen, wie sie in der Dunkelheit Auto fahren und nach einem Hotel Ausschau halten.
Für 3sat ist die Reihe eine Art Vorspiel zu einer inhaltlichen Offensive, die Anfang April starten soll. Der Nischensender (Marktanteil 2007: zirka 1 Prozent) will sein Profil schärfen, indem er etwa die Wissenschaftsdokureihe "hitec", bisher am Sonntagnachmittag versteckt, auf 21.30 Uhr am Montag verlegt. Das größte Aufsehen verspricht sich 3sat von "Scobel" (von 3. 4. an donnerstags, 21 Uhr) - einer regelmäßigen Schwerpunktsendung "ohne festes Format", wie Gert Scobel sagt, der Namensgeber. Möglich seien Dokus, Reportagen, Streitgespräche, Porträts oder ein klassisches Magazin. Inhaltlich haben Scobel und Co. alles im Visier, was Wissenschaft, Gesellschaft und Kultur hergeben. In einer Sendung widmet man sich etwa dem Phänomen der zunehmenden Kindstötungen, ein anderes Mal der Frage "Woher kommt eigentlich der Jazz?". Es handle sich, sagt Scobel, um ein Format, "das es im deutschen Fernsehen bisher noch nicht gegeben hat". Vielleicht stimmt das ja, ausnahmsweise.
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