Heimatliebe kommt teuer

Anleger in Deutschland setzen immer noch in erster Linie auf heimische Aktien. Doch Investitionen in ausländische Titel können sich lohnen: Denn damit lässt sich das Risiko von Wertverlusten senken und der Gewinn sogar erhöhen

VON TILMAN VON ROHDEN

Die alte Volksweisheit, nicht alles auf ein Pferd zu setzen, gilt auch heute noch. Es ist riskant, sein Vermögen ausschließlich in Aktien anzulegen. Denn die haben die unangenehme Eigenschaft, von Zeit zu Zeit in den Keller zu rauschen. Deshalb beherzigen viele Anleger den Rat, auch in andere Anlageklassen wie zum Beispiel Immobilien zu investieren.

Deutlich seltener folgen Anleger der Empfehlung, ihr Anlagerisiko ebenso nach Regionen und Ländern zu streuen. Nach Angaben der Zeitschrift Capital haben Anleger 65 Prozent ihres Portfolios mit deutschen Aktien bestückt. Nordamerikanische Titel sind mit 18 Prozent vertreten, Aktien aus dem europäischen Raum machen 16 Prozent aus. Werte aus Asien nehmen 1 Prozent ein.

„Die überwältigende Mehrheit der Bürger investiert ihr Human- und Finanzkapital fast ausschließlich in Deutschland“, warnt Philipp Vorndran, Investment Strategist Europe bei der Credit Suisse Asset Management. „Sie arbeiten in Deutschland, kaufen deutsche Immobilien und investieren vorwiegend in deutsche Aktien und Anleihen.“

Damit setzen Anleger mehr oder weniger alles auf eine Karte. Sie sind von der konjunkturellen Entwicklung der deutschen Wirtschaft in sehr hohem Maße abhängig und können nicht von positiven Trends in anderen Regionen oder Ländern profitieren. Wenn es in der deutschen Wirtschaft knirscht, herrscht auch in den Depots dieser Anleger eine lautstarke Kakophonie.

Den „Hang zur Heimat“ bezeichnen Experten als „home bias“. Er ist kein deutsches Phänomen, sondern zeigt sich in mehr oder weniger ausgeprägter Form in jedem Land: Die Anleger vertrauen in erster Linie ihrer Heimat.

Damit nehmen Anleger aber erhöhte Risiken in Kauf und verzichten auf Rendite, belegt eine Studie, die das Forschungsinstitut für Asset-Management an der der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen erstellt hat.

Die Gründe für den „home bias“ sieht die Studie in höheren Transaktionskosten für ausländische Werte und geringeren Informationen über ausländische Titel. Auch die Psyche der Anleger spielt eine Rolle. Die Wissenschaftler unterstellen eine so genannte Ambiguitätsaversion: Menschen lehnen ein Risiko umso eher ab, je schlechter sie es einschätzen können. Wer also wenig über ausländische Werte weiß, fühlt sich schlichtweg nicht wohl, wenn er in diese Titel investiert. Bei deutschen Werten meint der Anleger dagegen genau zu wissen, was er tut.

Doch dies ist nach den Ergebnissen der Studie ein Trugschluss. Denn die Anleger würden nach der Studie besser fahren, wenn sie mehr ins Ausland investierten. Je nach der Höhe der Absicherung des Wechselkursrisikos, das deutschen Anlegern natürlich droht, wenn sie in Nicht-Euro-Titel investieren, verzichten sie auf eine Zusatzrendite zwischen 0,71 und 0,98 Prozent.

Unterstellt werden hierbei ein mittleres Risikoverhalten und ein Investitionsgrad in heimische Aktien von 80 Prozent. Die Berechnung beruht auf Kursdaten von 1979 bis 2005. Die heimischen Daten wurden in Korrelation zum MSCI-World-Index gesetzt. Dieser Preisindex umfasst rund 1.500 weltweit gestreute große Aktientitel. Die Autoren der Studie raten Privatanlegern zu international investierenden Finanzprodukten, die währungsgesichert sind.

Privatanleger mit kleinerem oder mittlerem Vermögen investieren häufig und zu Recht in Investmentfonds statt direkt in Aktien. Bei den Fonds zeigt sich der „home bias“ jedoch nicht in gleicher Weise. Nach Angaben des Bundesverbands Investment- und Asset Management (BVI) haben deutsche Anleger insgesamt 26 Milliarden Euro in Fonds investiert, die in Deutschland investieren. Für die Region Europa beträgt der entsprechende Wert 42 Milliarden Euro, für das nichteuropäische Ausland 39 Milliarden Euro.