Mindestlohn-Debatte: Union will Arbeitsminister ausbremsen
Das Berliner Gerichtsurteil zum Mindestlohn ermutigt die CDU-Fraktion, gegen die Pläne von Scholz zu schießen: Sie fordert Änderungen an seinen Gesetzesplänen.
BERLIN taz Nach dem Urteil zum Post-Mindestlohn fordert die Union Änderungen an den entsprechenden Gesetzen. "Wir können nicht sehenden Auges Regelungen beschließen, die rechtlich nicht haltbar sind", sagte der Arbeitsmarktexperte der CDU-Bundestagsfraktion, Ralf Brauksiepe, am Montag. "Das Arbeitsministerium hat jetzt die Aufgabe, die Bedenken des Gerichts zu würdigen."
Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) will mit zwei Regelungen Mindestlöhne vorantreiben: Er stimmt derzeit eine Ausweitung des Entsendegesetzes und eine Aktualisierung des Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen mit seinen Kabinettskollegen ab. Kanzleramt und Wirtschaftsministerium haben Bedenken angemeldet, jetzt legt Brauksiepe für die Unionsfraktion nach: "Die Frage, wie mit konkurrierenden Tarifverträgen umzugehen ist, ist bedeutsam - Scholz darf nicht die Hände in den Schoß legen und bis zur letztinstanzlichen Klärung warten", so der arbeitsmarktpolitische Sprecher. "Im laufenden Gesetzgebungsverfahren ist von diesem Urteil auszugehen."
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am Freitag den Mindestlohn in der Postbranche in erster Instanz für unzulässig erklärt und der Klage von Post-Konkurrenten stattgegeben. Das wichtigste Argument des Gerichts lautet: Die Regierung darf nicht per Verordnung bestehende Tarifverträge durch andere Regelungen verdrängen. Das Arbeitsministerium legte Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht ein - und gab die Parole aus: Der Mindestlohn für Briefdienstleister gilt. Auch werde das neue Entsendegesetz "wesentliche Bedenken des Gerichts" ausräumen, sagte eine Sprecherin.
Doch dass Scholz mit dieser Strategie durchkommt, ist unwahrscheinlich. Denn das Urteil verschafft der Union Munition, um den ungeliebten Mindestlohn erneut anzuschießen. Der CDU-Wirtschaftsexperte Laurenz Meyer forderte den Arbeitsminister in einem Interview auf, den Post-Mindestlohn außer Kraft zu setzen. Es könne nicht sein, dass die Wettbewerber der Post bis zu einer für sie endgültigen positiven gerichtlichen Klärung aufgeben müssen, weil sie den Mindestlohn nicht verkraften könnten. Brauksiepe sieht auch Auswirkungen für die Zeitarbeitsbranche: "Sie ist zu fast 100 Prozent tarifgebunden, es gibt konkurrierende Tarifverträge." Entsprechend gebe es "keinen Spielraum" für eine Verordnung, die nicht gegen das Gerichtsurteil verstoße, so Brauksiepe. Zwei Verbände von Zeitarbeitsfirmen und der DGB hatten Mitte Februar angekündigt, einen Mindestlohn über das Entsendegesetz einzuführen - unter lautem Beifall von Scholz.
Eigentlich wollte er seine Gesetzespläne bis zur Sommerpause durchbringen, doch die Bedenken der CDU bedeuten erhebliche Verzögerungen. Bis es zu einem erneuten Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht kommt, wird es nach Einschätzung von Juristen des Arbeitsministeriums ein halbes Jahr dauern. Dann stünde noch der Gang vors Bundesverwaltungsgericht offen.
ULRICH SCHULTE
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