EU-Eingreiftruppe im Tschad: "Operation Wüstensand" gestartet

Die EU-Eingreiftruppe Eufor im Tschad bricht aus der Hauptstadt N'Djamena in ihr Einsatzgebiet auf. Aber die Truppensteller misstrauen einander, und an einen Erfolg glaubt niemand.

Die Soldaten aus den restlichen zehn Nationen grenzen sich von Frankreichs Militär ab. Bild: dpa

N'DJAMENA taz Die österreichischen Soldaten, die im Camp Europa in Tschads Hauptstadt N'Djamena bei trockenen 40 Grad im Schatten sitzen, sind marschbereit. "Wir wollen so rasch wie möglich nach Abéché, dort unser Camp einrichten und dann im Osten aufklären und Informationen beschaffen", sagt Oberst Heinz Assmann, der Kommandant. Der Einsatz der EU-Eingreiftruppe im Osttschad hat sich durch den misslungenen Putsch gegen Tschads Präsident Idriss Déby Anfang Februar schon verzögert - jetzt soll es endlich losgehen.

"Derzeit ist die Lage sehr ruhig", versichert auch Eufor-Sprecher Patrick Poulain. Aber niemand weiß, wann Tschads Rebellen einen neuen Vorstoß auf der einzigen Ost-West-Verbindung des Landes wagen werden - der Straße, auf der jetzt von West nach Ost Jeeps, Panzerfahrzeuge und anderes schweres Gerät aus der Hauptstadt NDjamena in das mehr als 600 Kilometer östlich gelegene Abéché gebracht werden müssen.

3.700 Soldaten unter EU-Mandat sollen von dort aus Exkursionen in die Grenzregion nach Darfur unternehmen, wo mehr als 400.000 Flüchtlinge und Vertriebene in Lagern leben. Betreten dürfen die Eufor-Soldaten die Flüchtlingslager nicht - das darf nur die tschadische Polizei, von der die UN neue Einheiten ausbilden sollen. In innertschadische Konflikte darf sich die Eufor ebenfalls nicht einmischen. "Gegen die Rebellen, die im Februar N'Djamena gestürmt haben, hätten wir nichts unternommen", bestätigt Poulain. "Es sei denn, sie hätten Flüchtlinge oder Vertriebene angegriffen."

Doch viele Tschader zweifeln an der Neutralität der Eufor. Das liegt vor allem daran, dass mehr als die Hälfte der Soldaten aus Frankreich kommen und die Truppe auf die französische Militärinfrastruktur angewiesen ist. Paris hat Déby schon oft die Stange gehalten und ist mit gut 1.000 Mann im Land.

Spätestens seit der französische Soldat Gilles Polin Anfang März die Grenze nach Darfur überquerte und wenige Kilometer dahinter von sudanesischen Soldaten erschossen wurde, ist das Misstrauen gegen die Franzosen auch innerhalb der Eufor gewachsen. Dass Polin sich schlicht verfahren hat, wie Eufor-Sprecher Poulain beteuert, nimmt kaum jemand ernst. Goz Amer, das nächste Flüchtlingslager, liegt mehr als 100 Kilometer von der Grenze entfernt. Sudans Regierung, die Tschads Rebellen unterstützt und Angst vor einer internationalen Einmischung in Darfur hat, spricht von Spionage. Sollte es welche sein, behalten die Franzosen die Ergebnisse offenbar für sich.

Zum Unmut von Eufor-Kommandeuren hält Frankreichs Militär so einiges an sicherheitsrelevanten Informationen für sich - von einem gemeinsamen Einsatz mit den Europäern kann keine Rede sein. Umso mehr grenzen sich die Soldaten aus den restlichen zehn Nationen von Frankreich ab. "Wir kennzeichnen alle unsere Fahrzeuge mit Flaggen der EU und Österreichs", erklärt der österreichische Major Manfred Prantl.

Dass es dank Eufor bald sicherer sein könnte im Osten, halten Helfer für unwahrscheinlich. "Hier draußen gibt es keinen Staat", beschreibt Urban Britzius, ein 57-jähriger Wasserbauingenieur des deutschen Hilfswerks "Help", die Lage. "Unser größtes Problem ist nicht ein drohender Bürgerkrieg, sondern die Kriminalität." Autos werden in den Sudan entführt, gestohlene Pick-ups benutzen Armee und Rebellen gleichermaßen. "Einer der Tankwagen, den wir benutzen, hat dafür mit Sicherheit früher mal der sudanesischen Armee gehört," so Britzius.

Eigentlich soll die Eufor erreichen, dass die Vertriebenen in ihre Heimatdörfer zurückkehren können. Doch Maurizio Giuliano, Sprecher der UN-Koordination für humanitäre Hilfe (OCHA) im Tschad, glaubt nicht daran. "Die zunehmende Gewalt in der Region macht es eher fraglich." Aus den Lagern sind längst Zentren geworden, die neben relativer Sicherheit auch sonstige in der Region unbekannte Annehmlichkeiten wie Schulen, Krankenhäuser oder sanitäre Einrichtungen haben - und Lebensmittelverteilungen.

Inoffizielle UN-Erhebungen bestätigen, dass viele Nomadengruppen im Osten nicht mehr von Oase zu Oase, sondern von Lager zu Lager ziehen. "Zu Hause" erwartet die meisten Vertriebenen hingegen außer Sand kaum etwas. Die meisten Dörfer wurden nach der Flucht ihrer Bewohner abgefackelt.

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