ReiseNotiz

Asien urlaubt

Es ist ein ungewohntes Bild, das sich dem Betrachter der Wirtschaftsmetropolen von Indien bis Japan neuerdings bietet: Die werktätige Bevölkerung pilgert samstags nicht mehr ins Büro, sondern in Freizeitparks, Naherholungsgebiete und Einkaufszentren. In Asien, wo die Menschen so hart arbeiten wie sonst nirgendwo auf dem Globus, vollzieht sich ein tief greifender Wandel: Nach jahrzehntelanger Ausrichtung auf Wachstum machen sich Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitnehmer jetzt dafür stark, die Fünf-Tage-Woche einzuführen: Die Früchte der Arbeit sollen auch genossen werden.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) beobachtet in der Region einen deutlichen Trend zur Verkürzung der Arbeitszeit. Einem kürzlich veröffentlichten Bericht der ILO zufolge bringen es die Menschen in Südkorea und Singapur im Schnitt weiterhin auf eine beeindruckende 46-Stunden-Woche. In der EU werden im Durchschnitt rund 41 Stunden pro Woche gearbeitet, in Deutschland noch weniger. Doch immer mehr Regierungen in Asien führen die Fünf-Tage-Woche ein und ermöglichen ihren Bürgern so ein freies Wochenende. So strich etwa Malaysia im vergangenen Juli die Samstagmorgenschicht aus dem Dienstplan seiner rund einer Million Staatsdiener. Die Regierung erhofft sich davon unter anderem, den Zusammenhalt der Familien zu stärken und den inländischen Tourismus anzukurbeln. Die Autokolonnen, die sich während der Feiertage nun aus der Hauptstadt Kuala Lumpur hinaus zu den Ferienorten an Strand und Bergen schlängeln, scheinen ihr Recht zu geben. Nach Einschätzung des Ökonomen Song Seng Wun werden die Arbeitszeitverkürzungen nachhaltige Auswirkungen auf Asiens Wirtschaft haben. „Von Singapur bis Korea ist derzeit der Export der Schlüssel zum Wirtschaftswachstum. Wir hoffen, dass in den kommenden 15 bis 20 Jahren der Dienstleistungssektor einen bedeutenderen Anteil am Wachstum bekommt“, sagt er.

Selbst in Japan, wo der Tod durch Überarbeitung so häufig ist, dass er einen eigenen Begriff – „Karoshi“ – prägte, werden Schulunterricht und Arbeitspensum nur noch von Montag bis Freitag absolviert. Die Anzahl der Feiertage steigt. Die Gewerkschaften in Südkorea hatten sich mit ihren 1,6 Millionen Mitgliedern ebenfalls für die Fünf-Tage-Woche stark gemacht, die das Parlament 2003 verabschiedete. Seither blüht die Freizeitindustrie. Freizeitparks und Ferienorte sind am Wochenende überfüllt.

AFP