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Instabile Felsen in NorwegenTsunamigefahr in Norwegen

Das veränderte Klima lässt in Norwegen Felsen instabiler werden. Das gefährdet auch die zahlreichen Touristen auf den Fjorden des Landes.

Gefährdet wie im Roman "Der Schwarm": Ein Fjord in Norwegen. Bild: dpa

Es war ein durch Frostabbruch ausgelöster Felsrutsch, der am Mittwoch dieser Woche im norwegischen Ålesund ein Wohnhaus kollabieren ließ und fünf Menschen das Leben kostete. Vom Frost verursachte Gesteinslawinen sind eigentlich nichts Ungewöhnliches in dieser Region. Deshalb hatte man vor fünf Jahren beim Bau des sechsstöckigen Hauses am Fuße eines Berghangs auch alle als gefährlich erachteten Felsen weggesprengt. Dass sich die übriggebliebene Felspartie nun als viel instabiler erwies, als die Experten vorhergesehen hatten, wird auch auf den diesjährigen ungewöhnlich warmen und regenreichen Winter geschoben. Und Geologen befürchten, das Ålesund-Unglück könne nur ein kleiner Vorgeschmack auf die durch Klimaveränderungen steigende Felsrutsch- und Tsunamigefahr in Norwegen sein.

So wie sie beispielsweise jetzt für den Geiranger-Fjord errechnet wurde. Eines der populärsten Touristenziele des Landes, das 700.000 Urlauber jährlich an Bord von Kreuzfahrtschiffen passieren. An seinem Eingang liegt der Åkneset, ein steiler Berg, der sich als extrem instabil erwiesen hat. Jährlich sackt er 15 Zentimeter in sich zusammen. Zudem weitet sich eine Spalte am Hang um derzeit vier bis fünf Zentimeter im Jahr. Ein Felsabbruch am Åkneset, der nach Berechnungen des norwegischen geologischen Instituts NGU bis zu 30 Millionen Kubikmeter Gestein in den Fjord stürzen ließe, könnte eine Flutwelle von 40 Meter Höhe auslösen. Das Horrorszenario: Ein solches Unglück tritt ein, wenn gerade drei oder vier Kreuzfahrtschiffe mit tausenden von Menschen am Ende des Fjordes ankern.

Nicht unweit vom Geirangerfjord, im Tafjord, hatte sich 1934 mit drei Millionen Kubikmetern vergleichsweise nur ein Zehntel einer solchen Felsmasse gelöst. Die 40 Bewohner zweier kleiner Ortschaften hatten angesichts einer 64 Meter hohen Flutwelle keine Chance.

Norwegen nimmt die Gefahren ernst. 2001 erhielt NGU von der Regierung den Auftrag für die Überwachung aller von Felslawinen bedrohten Gebiete. Eine Webseite (www.skrednett.no) informiert über aktuelle Untersuchungen. Am Åkneset hat man ebenso wie an anderen als speziell gefährdet angesehenen Zonen ein Netzwerk mit Lasermessgeräten, Spaltenmessern und Videokameras aufgebaut, die alle Veränderungen am Berg registrieren und an eine nahegelegene Zentrale melden. Dort werden die Daten mit seismischen und meteorologischen Informationen abgeglichen, um eine möglichst lange Vorwarnzeit für einen drohenden Felssturz zu bekommen.

Bereitschaftszentralen werden mittlerweile in allen gefährdeten Orten eingerichtet; die Bevölkerung wird auf Evakuierungspläne vorbereitet. Die Zahl der gefährdeten Menschen steigt im Takt der Ausweitung systematischer Berguntersuchungen stetig an. Kürzlich erst musste das NGU 6.000 Bewohnern in drei Kommunen mitteilen, dass sie wegen einer instabilen Felspartie in 800 Meter Höhe über ihrem wunderschönen Fjord von einer Flutwelle bedroht sind.

REINHARD WOLFF

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1 Kommentar

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  • PF
    Pfeiffer, F.

    Große Teile der skandinavischen Landmasse heben sich seit dem Verlust ihrer letzten flächigen, glazialen Eisbedeckung kontinuierlich meßbar um Milimeterbeträge pro Jahr; ähnlich die europäischen Alpen.

     

    Solche Bewegungen tragen wesentlich zur Gesteinsinstabilität bei. Damit ist die Kernaussage des Artikles leider nicht beweisbar und suggestiv.

    Fakt ist vielmehr das der tektonisch bedingte Festigkeitsverlust der Gesteine durch Klimaeinflüsse, Wärme oder Kälte, immer gefördert wird. Der Vorgang ist auch als Erosion bekannt und stellt keine Neuigkeit dar. Die beschriebenen gesteinsmechanischen Veränderungen am Beispiel des Åkneset sind dafür ein guter Beleg. Zumal sich hier Trennflächen öffnen die altersmäßig schon zur Gebirgsbildung angelegt worden sind.

    Pauschale Behauptungen welche "die Klimaveränderung" als Ursache von tiefgreifenden Veränderungen nahelegen, lassen zudem jedes wissenschaftliche Fundament in Form von Beweisen fehlen und werden allein durch ständige Wiederholung nicht richtiger.

     

    Mfg

     

    F. Pfeiffer