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Kommentar KolumbienUribes symbolische Geste

Kommentar von Gerhard Dilger

Die Freilassung der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin könnte der Beginn eines "humanitären Austauschs" sein. Die gewaltsamen Konflikte sind damit noch lange nicht gelöst.

K olumbiens Präsident Álvaro Uribe tut so, als bewege er sich in der Geiselfrage. Allein dies ist nach den militärischen und verbalen Attacken gegen die Farc-Guerilla in den letzten Wochen bereits ein Fortschritt. Das Bemerkenswerte an seiner jetzt erneuerten Offerte, grundsätzlich inhaftierte Rebellen im Austausch gegen Geiseln in der Gewalt der Aufständischen freizulassen, liegt aber nicht im Inhalt, sondern im Zeitpunkt und vor allem im Tonfall des unterzeichneten Dekrets und der Erklärung seines Friedensbeauftragten. Vorgestern wurden die Farc von der Regierung nicht als Terroristen bezeichnet, sondern als "Gruppe außerhalb des Gesetzes" und als Guerillagruppe.

Offenbar fühlte sich der Staatschef aufgrund des wachsenden internationalen Drucks und der erschütternden Berichte über die prekäre gesundheitliche Verfassung von Ingrid Betancourt zu einer Maßnahme gezwungen. Klar ist allerdings nur: Die sofortige Freilassung der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin könnte der Beginn eines "humanitären Austauschs" sein, alles weitere wäre zu verhandeln. Ein echtes Zugeständnis der Regierung an die Rebellen sähe anders aus. Uribe müsste signalisieren, dass er bereit wäre, über deren alte Forderung nach einer Demilitarisierung eines Gebiets zumindest zu reden, in dem die Modalitäten eines Gefangenenaustauschs ausgehandelt werden könnten. Daher dürfte Uribes symbolische Geste alleine kaum zu einem Gesinnungswandel der Aufständischen führen. Das Verhältnis zwischen den Kontrahenten ist zerrüttet, Uribe hat für seinen Kriegskurs den Rückhalt von USA und EU.

Hoffentlich erkennen die Guerilleros, dass sie sich mit dem Tod ihrer wertvollsten Geisel selbst um die größte Chance bringen könnten, vielleicht ein letztes Mal politisch in die Offensive zu kommen. Sollten sie Ingrid Betancourt nämlich freilassen, könnten sie Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez erneut als Akteur ins Spiel bringen und darauf hoffen, dass sie die Europäische Union von ihrer Liste terroristischer Organisationen streicht. Vor allem aber würden sie ihren Widersacher Uribe in Zugzwang bringen.

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1 Kommentar

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  • I
    Ivanfi

    Zitat von Dilger:

     

    "Sollten sie Ingrid Betancourt nämlich freilassen, könnten sie ---------darauf hoffen, dass sie die Europäische Union von ihrer Liste terroristischer Organisationen streicht."

     

    Kommentar:

     

    GERHARD DILGERs terroristenfreundlicher Journalismus ist kaum zu übersehen, wenn er sich mediale Spekulationen erlaubt, um die FARC nicht als Terrororganisation betrachten zu müssen.

    -------------------

    Solange die FARC-Terroristen gute Presse bei uns haben (Siehe auch FARC-bezogene DLF-Berichte und Erläuterungen), haben sie es nicht nötig, ihren eigenen Abgesang einzuleiten. Erst wenn DIESEN Terroristen jegliche Unterstützung, einhellig verweigert wird, könnte Kolumbien aufatmen.

     

    Aber, wie wir dies schon allzu regelmäßig aus unseren Medien kennen, sind nicht die Terroristen, die nachzugeben und aufzugeben haben, sondern wird eine allgemein schizophrene Sicht als das Wahre und etablierte, also normale Sicht fest in unserer Gesellschaft verwurzelt: wonach IMMER der böse Staat gegen die GUTEN "Rebellen", gegen die guten Menschenfreunde, Freunde der Bauern, Freunde der Blumen, der Liebe, Freunde der Lagerfeuer-Romantik kämpft.

     

    Unschwer ist dann, sich als Normalbürger auf der deutlich sichtbaren, NETTEREN Seite zu positionieren.

     

    Wer will schon mit dem bösen kolumbianischen Staat in einem Atem genannt werden, wenn diese GUTEN Rebellen, die nur ein paar Hundert entführte (oder nur verirrte?) Leute im Dschungel durchfüttern, gesundpflegen, seelisch-moralisch unterhalten, ständig aufmuntern müssen, nur, weil der böse kolumbianischer Staat nicht den Roten Teppich für die FARC-Terroristen ausrollt.

     

    (Die FARC: in diesem Falle vom Westen, von westlichen Medien ganz eindeutig gehätschelte Revoluzzer, die mit Drogen und Entführungen, sowie mit der tatkräftigen Unterstützung Kolumbiens Nachbarländern relativ sicher seit 40 Jahren operieren und dazu noch eine gute Starthilfe in den 70-er Jahren der EKD und der Kath. Kirche in West-Deutschland erhielten.)

     

    Also, böse Staaten aller Länder, seid lieb zu den Terroristen, dann haben wir alle was davon.

     

    Das Welt-Chaos wächst dann im kosmischen Tempo und der Untergang jeglicher politischen und menschlichen Rationalismen wird noch mehr als jetzt schon ist, beschleunigt.

     

    Na, ist das nicht schön? Soweit man dabei überlebt.