SPD-Netzwerker übt Kritik: "Einmauern ist inakzeptabel"

Einer der Netzwerker der Hessen-SPD, Gerrit Richter, übt Kritik an seiner SPD: So kommt man nach Wolkenkuckucksheim, aber nicht zu einer Lösung.

Ypsilanti im Vidier einer Fernsehkamera - mit erhobenem Zeigefinger: Sie will die Rückendeckung der Basis. Bild: dpa

taz: Herr Richter, die Hessen-SPD hat am Wochenende eine Koalition mit der CDU kategorisch ausgeschlossen. Wie soll es denn jetzt weitergehen?

Gerrit Richter: Gute Frage. Leider gibt es darauf keine wirklich gute Antwort. Sicher ist, dass die CDU-Minister erst einmal eine geschäftsführende Regierung bilden werden. Wir werden dann versuchen, unsere Inhalte durchzubringen. Das wird ein mühsames Geschäft.

Das hat sich Ihre Partei selbst eingebrockt.

Ich finde es fatal, dass es in Hessen jetzt nur noch zwei theoretische Möglichkeiten gibt - entweder Jamaika oder Neuwahlen. Von beidem bin ich kein Freund, und deshalb habe ich am Wochenende für mehr Optionen gestritten. In einem Fünfparteiensystem ist es inakzeptabel, sich derart einzumauern. Auf diese Weise bekommt man keine Mehrheit zustande.

Aber die Abneigung zwischen der stramm rechten Hessen-CDU und Ihrer Partei ist doch ohnehin so groß, dass sie nicht miteinander regieren könnten. Oder?

Das Urgestein der Hessen-SPD, der ehemalige Innenminister Herbert Günther, hat einmal gesagt: Man muss mit den Mädchen tanzen, die auf dem Tanzboden sind. Besonders hübsche Bräute sind weder Die Linke noch CDU oder FDP. Aber wir brauchen irgendwann eine Antwort auf die Frage, wie Hessen künftig regiert wird. Leider hat uns der letzte Parteitag dieser Antwort keinen Schritt näher gebracht. Mit solchen Beschlüssen kommt man nach Wolkenkuckucksheim, aber nicht zu einer Lösung.

Die SPD hat schon einmal die Zusammenarbeit mit einer Partei ausgeschlossen - mit der Linken. Glauben Sie, dass sie wieder umfallen könnte?

Es gab vor der Wahl gute Gründe, eine Zusammenarbeit mit der Linken auszuschließen, und nach der Wahl gute Gründe, eine Kooperation zu versuchen. Es gab Gründe, eine große Koalition auszuschließen, und es gab Gründe, eine marktradikale FDP zum Partner zu machen. Deshalb fürchte ich, es wird immer gute Gründe für alles Mögliche geben …

Damit würde die SPD zum zweiten Mal ein Versprechen brechen.

So peinlich würde das allerdings gar nicht werden. Wir haben beschlossen, dass ein Parteitag vor der Aufnahme von Gesprächen darüber beschließen muss. Und ein solcher Parteitag könnte auch ein kategorisches Nein rückgängig machen. Fakt ist, dass wir in einem Bunker sitzen, aus dem wir wieder herauskommen müssen.

Die CDU hat im Wahlkampf auch gegen Ihre Spitzenkandidatin gehetzt.

Das ist wahr und nicht zu entschuldigen. Aber schauen wir uns die Gegenwart an. Alle anderen Parteien haben sehr viel besser als die SPD erkannt, dass man in einem Fünfparteiensystem mit allen Demokraten reden können muss und so viele Optionen wie möglich braucht.

Der Ypsilanti-Rivale Jürgen Walter vom konservativen Flügel wurde auf dem Parteitag ausgebuht.

Es waren keine demokratisch gewählten Delegierten, die dort pfiffen und buhten. Das waren Claqeure aus der letzten Reihe, die ein unsägliches Benehmen an den Tag gelegt haben. Das Problem ist, dass viele SPDler derzeit schon gar nicht mehr an die Aufgabe denken, dieses Land zu regieren. Sondern daran, wie sie mit einer Koalition die Partei grundsätzlich verändern können.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ

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