piwik no script img

polnisches BerlinDie polnische Ehefrau hat ausgedient

Nicht mehr Putzfrauen und Bauarbeiter prägen das Bild des polnischen Berlin, sondern zunehmend auch Künstler und Studenten. Das zeigt eine Diskussion im Roten Rathaus anlässlich der Vorstellung eines Buchs über "Polski Berlin".

Ist "Polski Berlin", das polnische Berlin, noch immer ein Synonym für Putzfrauen und Bauarbeiter? Nein, eher für Künstler und Unternehmer. Zumindest was die "neuen Polen" betrifft. Zu dieser Antwort kamen die Teilnehmer einer Diskussion im Roten Rathaus am Mittwoch. Anlass war die Vorstellung des Buchs "Berlin. Polnische Perspektiven", in dem polnische Reiseberichte, Texte in Berlin lebender Polen und Essays vom 19. bis 21. Jahrhundert versammelt sind.

"Das Stereotyp der Putzfrauen und der Händler vom Potsdamer Platz überwiegt immer noch", sagt Dorota Danielewicz-Kerski. "Doch langsam ändert sich das Polenimage in der Hauptstadt." Die Schriftstellerin und Journalistin lebt seit 1984 in Berlin und spürt die Veränderungen hautnah. Besonders nach dem Mauerfall, berichtet sie, prägte sich ein neues Polenbild ein. "Einerseits blicken die Berliner über den Tellerrand und trauen sich über die Grenze, um bei den Nachbarn Urlaub zu machen. Die positiven Erfahrungen bringen sie mit nach Hause und fügen sie in ihr Polenbild ein."

Doch auch die "neuen Polen" in Berlin tragen zum Imagewandel bei. Seit Anfang der 90er-Jahre kommen polnische Studenten, Künstler, Unternehmer nach Berlin - weniger wegen der Schwarzarbeit als vielmehr wegen des Interesses an der Stadt.

Und das mit Erfolg: 450 polnische Firmen ließen sich seit dem EU-Beitritt in Berlin nieder, polnische Studenten bilden die größte Ausländergruppe an den Berliner Hochschulen. Mehrere Kunstgalerien werden von polnischen Berlinern betrieben.

Als polnische Galerien sehen sie sich aber nicht, wie Anna Krenz sagt. Die 32-jährige Posenerin lebt seit 2003 in Berlin, in Kreuzberg betreibt sie die Galerie Zero. Dort stellt sie vor allem internationale Künstler aus. "Auf Polen wollten wir uns nicht beschränken", erklärt sie. "Den Besuchern und Künstlern ist unsere Nationalität egal." So tragen die "neue Polen" tatsächlich zum neuen Polenbild bei. Und zum neuen Berlin, zu dem die polnische Kunstszene inzwischen wie selbstverständlich gehört.

Allerdings verläuft dieser Prozess langsamer, als vielen lieb ist. Schließlich tauchen auch die "neuen Polen" schnell unter, wie auf der Diskussion deutlich wurde. "Anders als Türken oder Russen bleiben wir nicht unter uns. Wir sind über die ganze Stadt verstreut", hieß es in der Diskussion. Das bestätigte auch Anatol Gotfryd, der 1958 als polnischer Jude nach Westberlin kam und bald am Kudamm als Zahnarzt praktizierte. "In Berlin haben wir vor allem in Intellektuellenzirkeln verkehrt. Künstler waren schon immer kosmopolitisch."

Doch ganz in Auflösung begriffen sind die Stereotype noch nicht, wie die Tatsache zeigt, dass noch immer mehr deutsche Männer polnische Frauen heiraten als umgekehrt. Vor einigen Jahre startete Anna Krenz ein Projekt mit dem Titel "Polish Wife". Per Internet konnte sich jeder seine Traumfrau aus Polen nach Wunsch zusammenstellen und nach Hause zugeschickt bekommen. Was als Kunst anfing, wurde plötzlich ernst genommen. "Unsere Galerie bekam pro Woche mehrere Bestellungen", lacht Krenz. "Aktuell lässt die Nachfrage aber nach." Offensichtlich ändert sich auch dieser Teil des Polenbildes.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!