Kommentar Stammzellenforschung: Vertagung des Problems

Eine Stammzellenforschung mit Stichtagsbeschränkung ist albern. Der Bundestag sollte lieber verhindern, dass die Menschenrechtsmoral auf Eizellen angewandt wird.

Es gibt gute Kompromisse, es gibt faule Kompromisse. Und es gibt die gestern vom Bundestag verabschiedete Verlängerung der Stichtagsregelung beim Embryonenschutz, deren Halbwertszeit noch kürzer sein dürfte als die ihrer Vorläuferin. Zu groß sind ihre Ungereimtheiten.

Warum soll künftig vermehrt mit ausländischen Stammzellen geforscht werden können, auf deutsche aber weiterhin kein Zugriff erlaubt sein? Haben die einen etwa mehr Menschenwürde als die anderen? Und warum sollte, wenn die neuen Stammzellen verbraucht sind, nicht ein neuer Stichtag gefunden werden? Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann zu einer weiteren Verschiebung kommt, ist groß. Denn die Möglichkeit eines Fortschritts in der Forschung ist weiterhin gegeben, wohingegen sich der Bestand an normativen Einwänden der Gegner kaum vergrößern lässt. Abgesehen davon, dass sie die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung nicht von positiven Resultaten abhängig machen können, haben sie mit den Begriffen der Menschenwürde und des Lebensschutzes bereits die mächtigsten Moralgeschosse in Stellung gebracht. Sie haben die Menschenrechtsmoral, deren Verteidigung sie im Munde führen, in einer Weise gedehnt, die bedenklich ist. Denn die uneingeschränkte Anwendung auf befruchtete Eizellen führt dazu, dass moralische Grundbegriffe inhaltlich entleert werden, dabei basieren sie doch auf dem Ideal, einen gutes Miteinander zu finden.

Wer von Tötung menschlichen Lebens und Verletzung der Menschenwürde spricht, angesichts eines Akts, der normativ auf der gleichen Stufe steht wie die Benutzung einer Spirale zur Empfängnisverhütung, der nimmt diesen Begriffen von ihrem Gehalt. Statt mit einem neuen Stichtag einer Ethik genügen zu wollen, die keine Kompromisse akzeptieren kann, hätte der Bundestag besser daran getan, zu verhindern, dass die Menschenrechtsmoral auf Eizellen angewandt wird. Und die Forschung ohne Stichtagsbeschränkung freizugeben. Damit wäre nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Normenklarheit gedient gewesen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.