Energie Cottbus: Unglück im Glück

1:0 gegen Bielefeld - immerhin der dritte Sieg in Folge. Trotzdem kann sich Energie Cottbus nicht absetzen aus der Allianz der Bundesliga-Schlaftabletten.

Beliebiger Höhepunkt in einem beliebigen Bundesligaspiel: Ervin Skela verwandelt den Elfmeter zum 1:0 gegen Bielefeld. Bild: dpa

COTTBUS taz Seit Jahrzehnten wird eine sinnfreie Formulierung aus dem Fußballsprachgebrauch von Generation zu Generation vererbt, ohne sie zu hinterfragen. "Die Hand ging nicht absichtlich zum Ball", pflegen schuldige Kicker zu sagen, wenn sie ihr Spielzeug im eigenen Strafraum mit dem falschen Körperteil berührt haben, von Teamkollegen und Trainern wird ihre These zumeist gestützt. Was soll uns dieses Verteidigungsplädoyer sagen? Sind Profifußballer die einzigen Menschen, deren Hände ein egomanisches Eigenleben führen, weil sie sich während ihrer Dienstzeit vernachlässigt fühlen? Und überhaupt: Welcher Spieler bitte schön verschuldet mit Absicht einen Elfmeter, also im vollen Bewusstsein? Markus Schuler jedenfalls nicht.

Es war vielmehr eine Mischung aus Reflex, Unbeholfenheit und schlechtem Stellungsspiel, die dazu führte, dass der Verteidiger von Arminia Bielefeld dem Ball gegenüber handgreiflich wurde. Florian Meyer entschied auf Strafstoß, doch viele Beobachter wurden das Gefühl nicht los, dass der Schiedsrichter auch hätte weiterspielen lassen können. So erhielt ein beliebiges Bundesligaspiel einen beliebigen Höhepunkt. Dem FC Energie war das herzlich egal. Ervin Skela verwandelte den Elfmeter kompromisslos (51.) zum 1:0, diese Führung sollte bis zum Abpfiff Bestand haben, und so feierten die Cottbuser den dritten Sieg hintereinander - das hatte es in der Erstligageschichte des Vereins noch nicht gegeben.

Es ist davon auszugehen, dass Ervin Skela an diesem Montag wieder die Regale des Zeitungskiosks seines Vertrauens plündern wird. Der albanische Nationalspieler sammelt jeden Artikel über sich und sein Team. Skela hat in dieser Saison bereits sieben Tore erzielt, allein die letzten vier seiner Mannschaft. Er genießt den Erfolg, denn er ist keine Selbstverständlichkeit. Für neun Klubs hat er in seiner Karriere bereits gespielt, an der Spitze stand er so gut wie nie. Anfang 2007 kam er von Ascoli Calcio nach Cottbus, in den östlichsten Teil Deutschlands, dem einige Spieler schon die zweite Liga vorgezogen haben. Wieder suchte Skela nach einer neuen Chance, wieder lief zunächst nicht alles nach Wunsch. Mit erschreckenden Blutwerten meldete er sich wochenlang krank, im Umfeld des Klubs wurde über das Ende seiner Laufbahn spekuliert.

Langsam steigerte Skela sein Niveau, und mit ihm wurde auch die Mannschaft besser. Als der slowenische Trainer Bojan Prasnikar im Spätsommer 2007 seinen Job antrat und eine offensivere Taktik ausgab, schlug die Stunde Skelas. Der 31-Jährige bestritt alle Spiele von Beginn an, er gilt seither als Gaukler in einer Gruppe von Rabauken, weil er dem Spiel Kreativität und Rhythmus verleiht. "Ich hoffe, dass Ervin seine Form weiter halten kann. Die Mannschaft braucht ihn", sagte Prasnikar. Das wurde gegen Bielefeld umso deutlicher, als er sich zeitweise schöpferische Pausen gönnte und das Angriffsspiel der Cottbuser darunter litt. "Ich bin stolz, an dieser historischen Serie beteiligt zu sein", sagte Skela. "Ich weiß, dass das nicht von Dauer sein wird."

Auch Manager Steffen Heidrich wusste trotz des dritten Sieges nicht, ob er sich über diese Serie freuen sollte oder nicht. Als er von den Auswärtssiegen der Konkurrenten im Abstiegskampf Rostock und Duisburg hörte, schüttelte er ungläubig den Kopf: "Wir haben von den letzten fünf Spielen vier gewonnen. Dass wir uns damit nicht absetzen konnten, ist Wahnsinn." Warum erst so spät Bewegung in die einstige Allianz der Schlaftabletten gekommen ist? "Viele haben Angst, runter in die zweite Liga zu müssen. Wir wissen, wie schwer es ist, wieder aufzusteigen." Auch Arminia Bielefeld dürfte diese Erfahrung kennen, dennoch bot die Mannschaft eine ideenarme und kraftlose Vorstellung. Michael Frontzeck, der Trainer des schlechtesten Rückrundenteams, wollte das nicht wahrhaben: "Ich brauche meine Mannschaft nicht aufzurichten. Ich habe nichts Desolates gesehen. Es war eine sehr knappe Niederlage." Welch ein Argument.

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